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Embryopathische Indikation

■ betr.: „Skandalöse Trauerge schichte“, taz vom 27. 6. 95

Wir stimmen Mechtild Jansens scharfer Kritik an der Neuregelung des Paragraph 218 zu. Aber über eine Aussage in ihrem Kommentar sind wir entsetzt: Zu den „drei grundlegenden Verschärfungen für die Frauen“ zählt Mechtild Jansen auch die Abschaffung der embryopathischen Indikation. Dies stellt sie in eine Reihe mit der Bestrafung des Umfelds der Schwangeren und der Unterordnung des Selbstbestimmungsrechts der Frau unter das Recht des „ungeborenen Lebens“.

Wir halten die Gleichsetzung der skandalösen Elemente des Kompromisses mit der Abschaffung der embryopathischen Indikation für politisch hochgefährlich. Die ursprüngliche Bezeichnung dieser Indikation als eugenische hatte bereits mit dem Wort deutlich gemacht, worin die Brisanz einer solchen Regelung besteht. Damit wird behindertes Leben für lebensunwert erklärt. Gerade aus einer linken Perspektive, die sich der Menschenwürde und Gleichberechtigung verpflichtet fühlt, ist darum eine solche Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen nicht hinnehmbar. Würde die Abtreibung von behinderten Embryos zur Regel, so würde dies einen Konsens der Gesellschaft bedeuten, daß ihr dieses Leben nicht wert ist. Dies hätte auch dramatische Folgen für die Behinderten, die ohnehin schon für die Nicht-Diskriminierung und Integration täglich kämpfen müssen. Die Frauen, die sich für die Austragung eines behinderten Kindes entscheiden, würden durch eine embryopathische Indikation unter Druck gesetzt, von der ausdrücklichen Möglichkeit der Abtreibung in diesem Fall auch Gebrauch zu machen. Dies beeinträchtigt die selbstbestimmte Entscheidung einer Frau, ein behindertes Kind auf die Welt zu bringen. So wäre einem Rückfall in Zeiten, als behindertes Leben nur als abweichend und bedrohlich wahrgenommen wurde, Tür und Tor geöffnet.

Wir lehnen den Kompromiß der anderen Parteien zum Paragraph 218 ab. Aber wir sind erleichtert, daß keine embryopathische Indikation mehr darin vorgesehen ist. Andrea Fischer,

Sozialpolitische Sprecherin,

Volker Beck, Rechtspolitischer

Sprecher der Fraktion Bünd-

nis 90/ Die Grünen

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