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Provokatorischer Zwischenruf

■ betr.: „Ich stehe zu Bärbel Bohley“ (Ralph Giordano antwortet auf Gerhard Zwerenz' Bekenntnis „Ich stehe zu Gregor Gysi“), taz vom 28. 6. 95

Ich will keine Einmischung in einen Literatenstreit wagen, aber zur Sache möchte ich beitragen: Es geht um die Stasi-Vorwürfe gegen Gregor Gysi. Also muß man Giordano so lesen, daß er sich über Gysi äußert, wenn er, Zwerenz rüffelnd, von den „Tätern von gestern“ schreibt. Und Giordanos Sätze sind, man muß sie noch einmal Wort für Wort lesen: „Niemand ruft heute so laut nach dem ,Recht‘ wie jene, die es zuvor auf dem Territorium der DDR mit Füßen getreten haben. Auch dafür ist die Auseinandersetzung Bohley – Gysi charakteristisch. Gerade die, die mit keinem anderen Motiv DDR-Bürgerinnen und -Bürger bedrückt, bespitzelt, eingekerkert haben als dem der Staatsräson des SED-Gewaltregimes und seiner Machterhaltung, gerade sie, die dafür Zigtausende verfolgten, ja, über Leichen gingen, sie beschwören heute inflatorisch die Rechtsbrüche, die ihnen angetan werden.“ Gysi eingemeindet bei denjenigen, die bespitzelt und eingekerkert haben, die „über Leichen“ gegangen sind? Das eben ist es, was auch Bärbel Bohley, Vera Lengsfeld und ihre CDU-Freunde so unverfroren öffentlich einhämmern wollen. Soweit Gysi ihnen als Anwalt zur Wiedereinreise, zur Haftverkürzung, zur Durchsetzung von Staatshaftungsklagen u.a.m. mitverholfen hat, agieren sie sogar gegen eigenes persönliches Wissen.

Zwerenz' provokatorischer Zwischenruf dagegen (den die taz leider nicht mit dokumentiert hat, aber wo kämen dort auch schon mal Verweigerer und Deserteure des herrschenden Rufmords zu Wort?) ist mehr als begründet. Daß Giordano in der Bemerkung von Zwerenz, „die Umtriebe gegen Gysi zu protokollieren“, eine „persönliche Feme-Drohung gegen Menschen wie Bärbel Bohley, direkt und unmittelbar, eine physische Kampfansage“ liest, belegt nur, daß der Realitätsverlust kein Privileg von bestimmten Politikern ist.

Zur Erregung von Giordano über den Dreyfus-Vergleich, den vor Zwerenz schon Stefan Heym angestellt hat: Der Mainzer Jakobiner (oh Gott!) Georg Forster hat mal in einer Fußnote zur Frage von Vergleichen gemeint: Niemand käme auf die Idee, daß Vergleiche hinken, wenn man nicht versuchen würde, sie laufen zu machen. Bei allem Vorbehalt gegenüber dieser Sprache, so ist es. Und auch so: Als Stimmverstärker für die Vorwürfe gegen Gysi anzuschwellen, erfordert wahrlich keine Zivilcourage. Jürgen Reents,

Pressesprecher der PDS, Bonn

Giordanos Bermerkungen sind eine außergewöhnlich scharfsinnige Antwort auf die perfiden Äußerungen von Zwerenz und stellen sicherlich einen der bedeutendsten Artikel vor, der in den letzten Monaten in der taz erschien. [...]

Als ich die Zitate von Zwerenz las, dachte ich zuerst an die Nazisprache und dann an Mielke und Verbrecher. Daß solche Leute für die PDS an vorderster Stelle stehen, zeigt auf, wes Geistes Kind diese Partei ist. Wie können solche Leute sich als politische Demokraten aufspielen und ihre ehemaligen Opfer noch verhöhnen. Ich glaube, die Nazis haben nach dem Krieg etwas länger gewartet, ehe sie sich mit solchen Sprüchen an die Öffentlichkeit wagten, die Kommunisten der PDS (die Mär, es gebe dort Sozialisten, habe ich vernommen) rüsten jetzt schon flugs für die nächste Wende, an der sie mit den Klassenfeinden abrechnen möchten. Na denn, Gregor Gysi, legen sie mit Zwerenz und Co. schon mal eine Akte für die PDS- Stasi an, die sich in Zukunft mit Bohley u.a. beschäftigt. [...] Gerhard Bleick,

Susanne Schaper,

Porta Westfalica

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