piwik no script img

Kadaver für einen Ministerposten

■ Skandal um Brandenburger Kadaver-Anstalt soll auf Berliner Kosten gelöst werden / Wurde Konkurs abgewendet?

Amtshilfe für einen angeschlagenen Minister: Tote Hunde, Katzen, Wellensittiche und sonstiges Gewürm sowie Speisereste aus Berlin sollen künftig in den konkursreifen Tierkörperbeseitigungs-Anstalten (TBA) des Nachbarlandes verarbeitet werden.

Völlig überraschend unterschrieben Gesundheitssenator Peter Luther (CDU) und der Brandenburger Landwirtschaftsminister Edwin Zimmermann (SPD) am Mittwoch ein sogenanntes Ressortabkommen über die gemeinsame Tierkörper- und Speiserestebeseitigung. Das Papier, das in der kommenden Woche von beiden Landesregierungen beraten werden soll, gilt als Grundlage für einen künftigen Staatsvertrag.

Der Skandal um die TBA Brandenburg GmbH beschäftigt das Land seit mehreren Jahren. Für den Bau zweier überdimensionierte Anlagen in Rüdnitz und Bresinchen wurden 95 Millionen Mark an Krediten aufgenommen. Zusätzlich stehen Verbindlichkeiten in Höhe von 11,2 Millionen Mark aus.

Mehrheitsgesellschafter der TBA ist ein 1990 von damaligen Alt-Kreisen gegründeter Zweckverband, der mit Billigung des Ministers Zimmermann die Bürgschaften gegeben hatte. Die später gebildeten fünf Großkreise der Region sowie die Stadt Cottbus lehnen bislang die Verantwortung für Kreditbürgschaften ab. Zuletzt hatte die Deutsche Genossenschaft-Hypothekenbank (DG Hyp) als Gläubiger dem Zweckverband und den Kommunen eine Klage beim Landgericht Cottbus angedroht, sollten die Bürgschaftsverpflichtungen nicht bis zum 15. Juli anerkannt werden.

Sollte der Senat Luthers Vorhaben zustimmen, dürften die Berliner Haustierbesitzer bald für die Entsorgung ihrer Lieblinge in die eigene Tasche greifen. Im Gegensatz zu Brandenburg, wo sich Land, Verbraucher und Landkreise die Kosten jeweils zu einem Drittel teilen, trägt bislang das Land Berlin die Entsorgungssumme von jährlich rund 4,5 Millionen Mark zu hundert Prozent.

Eine im Hause Luther erarbeitete Gebührenvorlage existiert bereits und wurde vergangene Woche vom Senat verabschiedet. Allerdings sollen Fachgruppen aus den Verwaltungen beider Länder in den kommenden Wochen die Details abstimmen, bevor die Gesetzesvorlage noch in diesem Jahr dem Abgeordnetenhaus vorgelegt wird, erklärte Luther gestern: „Es kann ja nicht angehen, daß die Verbraucher in Brandenburg und Berlin unterschiedliche Gebühren zahlen.“ Zu Details wollte Luther, der sich im September mit dem Brandenburger Landwirtschaftsminister treffen will, nicht äußern.

In Frage steht auch die Zukunft der einzigen Berliner Tierkörperbeseitigungs-Anstalt Drauscke- Birkholz. Vertraglich hat sich das Land zwar bis zum Jahr 2002 an die Spandauer GmbH gebunden, könnte aber nach Brandenburger Interpretation schon früher aussteigen. Berlin müsse dafür aber die Kosten aus der Vertragsauflösung tragen, meinte gestern der Sprecher des Landwirtschaftsministerium in Potsdam, Jens-Uwe Schade. Durch die Vereinbarung werde der TBA Spandau aus Brandenburger Sicht „signalisiert, daß es über das Jahr 2001 hinaus keine Vertragsverlängerung geben wird“. Zwar dementierten gestern die Berliner Gesundheitsverwaltung und das Brandenburger Landwirtschaftsministerium unisono jeden Zusammenhang mit der Kadaveraffäre. Zimmermanns Sprecher Schade räumte allerdings gegenüber der taz ein, daß die Berliner Paraphierung als „Nebeneffekt auch eine Sicherheitsleistung für künftige TBA-Betreiber ist“. Im Falle eines Konkurses der Brandenburger TBAs hätten Privatbetreiber in- und außerhalb Brandenburgs bereits Interesse an einer Übernahme angemeldet. „Wir wollen die Liquidation auf jeden Fall vermeiden“, so Schade. Severin Weiland

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen