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Weniger Geld für ABM-Kräfte

■ DGB-Chefin Helga Ziegert: "Kürzungen mit uns nicht zu machen."

Sie saßen gemeinsam an einem Tisch und hatten sich jede Menge zu sagen. Doch von trauter Eintracht konnte keine Rede sein. Kaum war von den Tarifverträgen für die ABM-Kräfte und die Beschäftigten nach dem Bundessozialhilfe-Gesetz (BSHG-19) die Rede, kam es zwischen Dr. Manfred Ahlsdorff, Präsident der Unternehmensverbände im Lande Bremen, und Helga Ziegert, DGB-Chefin in Bremen, zum Krach.

„Man muß im ABM-Bereich nicht nach Tarif bezahlen“, meinte Ahlsdorff gestern bei einem Gespräch der Kontrahenten über die Bewertung des Koalitionsvertrages zwischen CDU und SPD. „Das ist mit uns nicht zu machen“, erwiderte Helga Ziegert prompt. Mit solchen Vorstößen werde „der soziale Frieden leichtfertig aufs Spiel gesetzt“, kritisierte sie.

„Es kann doch nicht sein, daß ein ABM-Träger für seine Kantine eine ABM-Maßnahme für einen Koch beantragt, der mit 3.046 Mark bei 38,5 Stunden bezahlt werden soll, während ein gelernter Koch gemäß Tarifvertrag zwischen 2.310 bis 2.620 Mark bei einer 36 Stunden Woche erhält“, schimpfte Ahlsdorff und führte als Beispiel den Antrag der Gröpelinger-Recycling-Initiative ins Feld. „Solche Fälle sind uns durchaus bekannt“, räumte Ziegert ein. „Das sind allerdings Verzerrungen, die durch den ÖTV-Tarif zustande kommen“. Es gebe sehr viele Beschäftigte – wie beispielsweise Bauhelfer – die nach dem bisher gültigen Tarifvertrag wesentlich weniger verdienten als ihre Kollegen.

Laut Koalitionsvertrag soll mit den Gewerkschaften und den Trägern öffentlich geförderter Beschäftigten über den Abschluß eines neuen Tarifvertrages für ABM- und BSHG-19-Kräfte durch den Kommunalen Arbeitgeberverband verhandelt werden. Zur Zeit gilt für diese Beschäftigten der Tarifvertrag zwischen der ÖTV und der öffentlichen Personalverwaltung in Bremen. Deshalb würden ABM-Kräfte im Land Bremen mitunter höher bezahlt als privat beschäftigte Arbeitnehmer, monierte Ahlsdorff. Auch Helga Ziegert sprach sich für einen neuen Tarifvertrag zwischen der Arbeitsgemeinschaft der Beschäftigungsträger und den Arbeitgebern aus. „Weitere soziale Einschnitte sind mit uns aber nicht zu machen“, betonte sie.

Auch sonst sorgte der Koaliti-onsvertrag für Zündstoff: „Die Bildung der Großen Koalition in Bremen ist ein Signal der Vernunft“, freute sich Ahlsdorff. Das die Mittel aus dem Wirtschaftspolitischen-Aktionsprogramm (WAP) aufgeteilt wurden, betrübt den Unternehmer zwar, aber ansonsten ist er mit dem Koaltionsvertrag „sehr zufrieden“. „Der Koalitionsvertrag ist einseitig“, kritisierte hingegen Helga Ziegert. „Die Arbeitslosigkeit ist das Problem Nummer eins in Bremen. Der Vertrag lasse aber jedes Signal in diese Richtung vermissen.“ Allein die Tatsache, daß das Arbeitsressort im Zuge der Koalitionsverhandlungen „irgendwo dran geklebt wurde“, ist für sie ein Zeichen wie „lieblos mit dem Problem umgegangen wurde“. „Der Abbau der Arbeitslosigkeit wird für uns die Meßlatte für die Große Koalition sein“, kündigte sie an.

Dagegen hat auch Ahlsdorff nichts einzuwenden – doch an der Frage, wie die Arbeitslosigkeit abgebaut werden soll, gerieten sie erneut aneinander. „Die Unternehmer brauchen Signale“, forderte Ahlsdorff. Er will weniger Steuern sowie Abgaben für die Unternehmer und eine „Tarifpolitik, die es den Betrieben wieder erlaubt, ausreichende Gewinne zu erwirtschaften. „Wer der Auffassung ist, daß Wirtschaftsförderung mit Unternehmerförderung gleichzusetzen ist, hat das Sanierungsprogramm nicht begriffen.“ Das mochte Helga Ziegert so nicht stehenlassen. Nach einer jetzt veröffentlichten Untersuchung der Arbeiterkammer seien die Unternehmergewinne seit 1980 um 80,2 Prozent gestiegen. Das Netto-Einkommen der ArbeitnehmerInnen jedoch nur um 2,9 Prozent. „Das ist eine Schieflage in der Einkommensverteilung zugunsten der Gewinne“, argumentierte die DGB-Chefin vor. Wirtschaftsförderung sei nicht automatisch gleichzusetzen mit Arbeitsplatzschaffung. Stattdessen sei eine „aktive Arbeitsmarktpolitik“ vonnöten. „Das ehrgeizige Ziel, 50.000 Arbeitsplätze bis ins Jahr 2010 zu schaffen, kann nur durch gezielte Maßnahmen zur Arbeitsplatzschaffung erreicht werden“. Die Kopfzahl der in Beschäftigungsmaßnahmen Geförderten müsse deshalb beispielsweise mindestens gleichbleiben. „Das Arbeitsressort braucht mindestens 100 Millionen Mark“, sagte Ziegert. Das sei bereits eine Einsparung von vier Millionen. „Weitere Einsparungen darf es auf keinen Fall geben. Wir werden genau beobachten, ob die Wirtschaftssanierung auf dem Rücken der sozial Benachteiligten ausgetragen wird“, versprach Ziegert.

Die Fronten schienen verhärtet, da kam es doch noch zu einer unerwarteten Einigung. „Wo ist eigentlich der Beitrag der Unternehmer“, wollte Ziegert wissen. „Sind sie bereit, sich an der Schaffung von Kindergartenplätzen oder Altentagesstätten zu beteiligen?“ Ahldorff: „Darüber können wir gerne reden.“

kes

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