Aufbaufieber

■ Auf dem "Bauforum Berlin" werden alte Kampfbilder ausgeschwitzt: Rekonstruktion gegen Einheitskäsebauten

Der Baukran ist derzeit das Berliner Lieblingsspielzeug, und alle wollen sie im Sandkasten sitzen. „Bauen in Berlin“, meinte Bausenator Wolfgang Nagel (SPD), „ist eine der letzten faszinierenden Aufgaben dieses Jahrhunderts.“ Und der Kreuzberger FAZ-Schreiber und Hochschullehrer Karl Schlögel beschwor in einer Hommage an die Wandlungen des Rhythmus der Stadt „Berlin als Stadt in der Arbeit“.

Was gestern zuweilen wie Feuilleton-Prosa aus der zweiten Berliner Gründerzeit anmutete, war freilich nur stadtphilosophische Begleitmusik für einen ansonsten prosaischen Kongreß: das erste Berliner Bauforum. Bis Freitag kommen dort Politiker, Verwaltungsbeamte, Architekten und Bauherren zusammen, um nicht nur über die „Gesamtentwicklung Berlins“ zu palavern, sondern auch über Projektentwicklung, Planungsrecht oder die Finanzierung.

Gleich zu Beginn hatte der Schirmherr der Veranstalter, Bundesbauminister Klaus Töpfer (CDU), deutlich gemacht, woran es beim Bauen in der Hauptstadt noch immer hapert: „Es wird noch nicht unter Nutzung aller modernen Technologien gebaut“, meinte Töpfer. Er nutzte die Gelegenheit, der Korruption im Bauwesen den Kampf anzusagen. „Wer Preisabsprachen macht, soll von öffentlichen Bauvorhaben künftig ausgeschlossen werden“, meinte Töpfer. Der Kaiserslauterer Albert Speer wies darauf hin, daß vor allem die Planungszeiten für die Bauprojekte verkürzt werden müßten.

Optimierung, Rationalisierung der Abläufe, Planen am runden Tisch anstatt in den oft sich widersprechenden Verwaltungsinstanzen stehen also hoch im Kurs. Doch nicht nur die Debatte darüber, wie schnell gebaut wird, sondern auch das Wie scheint nach wie vor ein Dauerbrenner zu sein. Bauminister Töpfer bekannte sich gestern ausdrücklich zu einer Vielfalt und Mischung als Leitbild der Berliner Stadtentwicklung. „Die Nutzungsvielfalt und die polyzentrale Ausrichtung der Städte“, meinte Töpfer, „sind eine ökonomische, ökologische und soziale Aufgabe ersten Ranges.“ Töpfers Berliner Kollege Nagel nutzte die Gelegenheit, auf diesem Bauforum noch einmal vehement die „kritische Rekonstruktion“ als städtebauliche Vorgabe zu verteidigen. Wer die Mischung will, müsse Wege finden, sie umzusetzen, gerade dann, wenn es, so Nagel, noch keine entsprechende Qualifizierung im Planungsrecht gebe. Der Bausenator wandte sich entschieden dagegen, daß die „kritische Rekonstruktion“ andere als städtebauliche Vorgaben mache: „Es gibt keine klaren Aussagen zur Architektur selbst.“

Nagel erntete damit zwangsläufig ein Kopfschütteln des amerikanischen Architekten Daniel Libeskind. Der Architekt des Jüdischen Museums verwies auf die Tradition der Moderne in Berlin, vom Werkbund, Bauhaus bis zur Internationalen Bauausstellung, und kritisierte erneut die „bürokratischen Interventionen“ der Behörden. Die meisten Gebäude in Berlin, meinte Libeskind, sähen aus wie „Einheitskäse“.

Der kritische Rekonstrukteur Wolfgang Nagel hörte diese Worte allerdings nicht mehr. Er hatte sich bereits zuvor mit dem Satz auf den Heimweg gemacht: „Baust du ein Haus, so denke an die Stadt!“ Uwe Rada