: Kein großes Lob
■ Ein Tübinger Professor beschwert sich über eine Sat.1-Soap
Der deutsche Enthüllungssender Sat.1 („Glücksrad“, „Nur die Liebe zählt, „Hallo, Onkel Doc!“) plant einen neuen Coup. Vom nächsten Frühjahr an soll eine neue Fernsehserie das Innenleben der deutschen Universitäten durchleuchten. Die Dreharbeiten zu der 16teiligen Seifenoper „Katrin ist die Beste“ sind jetzt in Tübingen angelaufen. Im Mittelpunkt stehen Professor Naumann (verwitwet, aber glücklich), seine Tochter Katrin (geschieden, aber glücklich) und Robby (adoptiert, aber auch glücklich).
Es gibt nur einen, der ganz und gar unglücklich ist, obwohl er im Film gar keine Rolle spielt. Das ist der echte Professor Hermann Bausinger, Volkskundler und langjähriger Leiter des Ludwig-Uhland- Instituts in Tübingen. Denn ausgerechnet sein Fachgebiet hat sich Autorin Barbara Piazza („Lindenstraße“) als Vorlage für den falschen Professor Naumann (gespielt von Hans Korte) vorgenommen: „Weil es so sinnlich ist!“
Schon in den Szenen, die Bausinger vorab zu lesen bekam, erkannte der Volkskundler jedes Klischee wieder, „von dem wir uns seit Jahren bemühen wegzukommen.“ Da sitzt beispielsweise Filmprofessor Naumann ziemlich betrunken in einer Weinstube und lallt mit einem Kollegen über das deutsche Liedgut. Natürlich entsteht denn auch prompt beim Trollinger das Klausurthema für den nächsten Tag: „Sinngehaltsanalyse“ des schwäbischen Volkslieds „Auf'm Wasa graset d'Hasa“ („Auf der Wiese grasen die Hasen“). Bausinger: „Das tut weh.“
Und es wird noch menschlicher im Film: Der Volkskundeprofessor „orgelt“ heimlich die Frau des Herrn Prälaten, währenddessen der Sohn des Universitätspräsidenten ein Asylbewerberheim anzündet. Ein Bosnier stirbt, der Prälat entdeckt die Liebschaft und flieht nach Afrika, und Professor Müller-Weidig (gespielt von Ex- Terrorist Christof Wackernagel) rezitiert Mörike auf schwäbisch. Fein geht es zu bei Alma mater!
Weil das alles so peinlich ist, bat Hermann Bausinger in einem Brief an die Universitätsverwaltung darum, „dieses Arrangement in aller Deutlichkeit zurückzuweisen“, schließlich werde die gesamte Universität „in eine Provinzialität gerückt, die nichts mit den aktuellen Gegebenheiten zu tun hat“. Um wenigstens die Dialoge einigermaßen echt wirken zu lassen, bot Bausinger den Produzenten der Serie an, einen seiner Studenten für die Formulierungen zu Rate zu ziehen. Doch bei Sat.1 war man in diesem Fall an Reality-TV nicht interessiert. Lediglich der rechtsradikale Sohn des Präsidenten wurde nach Protest der Tübinger Universitätsverwaltung durch den Sohn eines normalen Professors ersetzt. Philipp Maußhardt
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