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Anmut ist nur ein Wort

■ Über Eric Rohmers neuen, privatdokumentarischen Film "Rendezvous in Paris" / Flaue Bilder, klirrende O-Töne / Mit der Kamera im Gewebe der Stadt

Es gibt eine Virtuosität des Flirtens, von der man sich in Deutschland keinen Begriff macht, und eine Art und Weise, es darzustellen, die hier fremd ist wie China. Immer noch verhält sich eine Szene von Rohmer zur deutschen Szene wie ein Soufflé zu Schaumgebäck. Das hat bekanntlich auch historische Gründe. Erst mit dem Weggang Ernst Lubitschs und Max Ophüls' kam dem deutschen Kino die Anmut abhanden. Es hat sie seitdem nicht wiedergefunden.

Die Kamera geht im letzten der drei „Rendezvous in Paris“ einem jungen Maler hinterher, der einer jungen Frau hinterhergeht, weil sie ihm gefällt. Sie begibt sich ins Picasso-Museum, wo er gerade eine hübsche, ihm aber unbedeutend erscheinende Schwedin schnöde hat stehen lassen.

Eine etwas peinliche Situation. Wie er sich da herausredet, aber viel mehr noch, wie er seinen Dialog mit der Schwedin einsetzt, um die Aufmerksamkeit der anderen zu erringen: Das ist eben virtuos, grausam zwar – aber anmutig.

Übrigens wird sich der Zufall – Rohmers moralische Konstruktion – am Maler rächen. Die junge Frau läßt sich seine geistreiche Redeweise gefallen, nennt seine Malerei aber „nicht genial“, will ihn entschieden nicht und rät zur Schwedin. Die ihn beim nächsten Rendezvous versetzt.

Die Männer, die Flirtvirtuosen, sind in „Rendezvous in Paris“ die letztlich Gelackmeierten. Gegen sie spielen Rohmers dialektisch kombinierte Zufälle. Am Ende aller drei Episoden steht die Freiheit der Frauen. Keine ganz reine Freiheit vielleicht. Es ist, als schenkte Rohmer sie ihnen als kleine Gratifikation für das Recht, das er sich herausnimmt, sie zu betrachten.

Aber Rohmer ist ein unaufdringlicher Voyeur. Das heißt zunächst, daß er sich gerade nicht versteckt. Er sperrt keine Drehorte ab, sondern er versenkt sich, wie er sagt, „ins Gewebe der Stadt“. Er postiert seine Kamera so selbstverständlich, daß sie kaum beachtet wird. Er arbeitet dabei stets mit seiner eigenen alten 16-Millimeter- Kamera. Die Bilder sind flau, der O-Ton klirrt.

Das tatsächliche Paris ist seine Kulisse, Passanten ersetzen die Statisterie und helfen Kosten sparen. Wenn doch mal einer in die Kamera guckt, wie einmal ein Mann – lange, mit haltloser Neugierde –, ist es ihm egal. Rohmer dokumentiert also.

Aber was?

Seinen Schauspielern gibt er extrem austarierte Spiele aus Liebe und Zufall an die Hand wie aus dem Theater des 18. Jahrhunderts, auch wenn er selbst sich lieber aufs 17. beruft. Aber er gibt ihnen keine Spielanweisungen. Sie sollen spielen, wie sie denken. Die Szenen scheinen chronologisch gedreht.

Und dann passiert's. Rohmer wird innerlich jubilieren, wenn eine Schauspielerin – zum Beispiel Clara Bellar in der ersten Episode – Zeit braucht, wenn ihr ihre Rolle anfangs zu groß ist wie ein etwas zu weit geschnittenes Kleid und sie sich ihr erst anschmiegen muß.

Rohmer filmt literarische Dialoge, als würden sie wirklich so gesagt. Er dokumentiert Fiktion, was ja im Grunde die Definition des Kinos ist. Am Ende steht, worum es von Anfang an geht. Was, ist selbstverständlich unsagbar. Anmut ist schließlich auch nur ein Wort. Thierry Chervel

„Rendezvous in Paris.“ Regie: Eric Rohmer, Frankreich 1994, 100 Minuten. (Wer kann, sollte sich die Originalversion mit Untertiteln ansehen.)

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