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„Ich bin ein Zick-Zack-Mensch“

■ Das Institut Français, Außenstelle der „Grande Nation“ wird 40. Mme Schell setzt auf „die Lust, das ganze Leben Französisch zu sprechen“

Es wirkt wie eine Filmszene: Die junge Frau erklimmt die Stufen des Institut Francais ohne aufzublicken, vollkommen vertieft in ihr Buch, was interessanter zu sein scheint als die schnöde Welt. Im zweiten Stock dann aber weltliches, lebhaftes Geplapper, zweisprachig tönt es aus den Übungsräumen, Sprachkurse sind im Gange. Im Erdgeschoß des französischen Kulturinstitutes: eine Bibliothek, ein 60 Plätze-Kinosaal und das exklusive Musikzimmer. Parkettboden, Kronleuchter, ein geräumiger Erker mit Blick auf den Garten. In dieser schönen Immobilie am Contrescarpe 19 werden seit 1950 französische Sprachkurse angeboten, seit 1955 residiert hier offiziell das Institut Francais. Nunmehr seit 40 Jahren. Ist der Standort eine Erinnerung an Napoleon, der 1805 die Befestigungen durchbrach und Bremen nahm? „Sehen Sie das nicht symbolisch, obwohl Napoleon nicht nur Schlechtes in Bremen eingeführt hat“, sagt Christine Schell, die Leiterin des Institutes. Die Vorbereitungen für den Höhepunkt der Jubiläumsfeierlichkeiten im Herbst laufen.

Ab Oktober etwa die Ausstellung „Bremen-Paris: Aller-retour“. Keine Emigranten sind also angesprochen, sondern Reisende mit Rückfahrkarte: Zwei Monate lang wird das Haus dann erstmals ausschließlich Bremer KünstlerInnen offenstehen, die „etwas in Frankreich oder über Frankreich realisiert haben“, sagt Christine Schell.

Seit 1991 steht sie dem Institut vor, ihr erster Job im Ausland. Vorangegangen waren ein Germanistik- und Wirtschaftsstudium, die Arbeit als Referentin für einen Bürgermeister, Theater-Engagement und Projekte in der Videokunstszene. „Ich bin ein Zickzack-Mensch.“ Vor ihrer Amtszeit war das Institut ziemlich auf den Hund gekommen, über Schließung wurde schon nachgedacht. Der Vorgänger hatte sich mit zeitgenössischer Musik übernommen: Die Fachpresse war begeistert, doch das Publikum blieb aus und die Kosten waren enorm. Die Prioritäten werden deshalb im französischen Außenministerium derzeit auch anders gesetzt. Sprachvermittlung ist oberstes Gebot. Das ist für Christine Schell aber kein Widerspruch zu sonstigen kulturellen Aktivitäten; sie setzt auf Synergie-Effekte. Wer einmal einen Französisch-Sprachkurs besucht hat – 400 Teilnehmer gibt es derzeit –, wird sich vielleicht auch stärker für Ausstellungen, Konzerte oder Filme interessieren. Stolz ist man auf die Zusammenarbeit mit der Universität. „Einmalig in Deutschland ist, daß die Uni die Sprachausbildung durch französische Lehrer direkt von uns übernimmt.“ Ein weiterer Erfolg: Seit September letzten Jahres gibt es in acht Schulen in Bremen und Bremerhaven erstmals die Möglichkeit, Französisch als erste Fremdsprache zu wählen. „Ein Vorteil für Ihre Kinder“, findet Bernard Ginsbourger, Sprachberater am Institut und von Berufs wegen zuversichtlich, „und ein fruchtbares Fundament, um späterhin durchs ganze Leben Lust zu spüren, Französisch und andere Sprachen zu sprechen.“

Wie dem auch sei. Erstaunlich ist es allemal, daß sich im Englisch beeinflußten hohen Norden der Republik „viel mehr Frankreich-Interessierte finden als gedacht“. Obwohl das Interesse an Sprachkursen früher größer war. Aber, spekuliert Christine Schell ziemlich optimistisch, welcher Bremer hat noch nicht einen oder mehrere Sommer in Paris verbracht?

Im kulturell gesättigten Deutschland sei deshalb auch keine Pionierarbeit mehr möglich – obwohl es natürlich unterschiedliche Sichtweisen für dieselben Probleme gibt. Und die hat das Institut Francais auch in den letzten Wochen zu spüren bekommen. Besucher hätten sich schon enerviert über die neo-absolutistische Haltung Jacques Chiracs. „Aber deswegen die Verbindung mit uns abgebrochen hat noch keiner“, betont Christine Schell. Doch auf eine Stellungnahme des Instituts zu den französischen Atomtests und Boykottdrohungen gegenüber Staatsbetrieben wie Air France und Renault wird man vergeblich warten. „Wir sind eine Außenstelle des französischen Staates, wir dürfen überhaupt keine Stellung nehmen. Das können die 2.000 Franzosen tun, die in Bremen leben!“

Und tatsächlich: Auf dem Schwarzen Brett, im Erdgeschoß, hängt neben einer Einladung des französischen Konsuls an seine Landsleute, sich zum Nationalfeiertag in den Räumlichkeiten der Botschaft in Hamburg zum Feiern zu treffen, ein weiterer kleiner Zettel. Der Verband im Ausland lebender Franzosen fordert zu einer Briefprotestaktion an Chiracs Adresse auf, Textvorschlag: „Schluß mit den Atomtests!“.

Wie stark die Budget-Quellen in Paris sprudeln, um das teilweise hochkarätige Veranstaltungsprogramm des Institut Francais zu speisen, darüber breitet Christine Schell diskret den Mantel des Schweigens. „Es ist ein kleiner Etat.“ Zahlen will sie nicht nennen. Ihre Kooperationspartner könnte es vergällen, wenn der Etat zu hoch ist – oder zu niedrig. „Die Leute kommen nur, wenn man Erfolg hat, niemals bei einer Misere.“

Alexander Musik

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