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Auf der Flucht nach Deutschland erstickt

■ Ungarische Polizisten entdecken in einem Lkw 18 tote Tamilen / Von ihren Schleppern fehlt jede Spur / Ungarn ist zum wichtigen Transitland für Flüchtlinge auf dem Weg nach Westeuropa geworden

Budapest/Berlin (dpa/AFP/taz) Weil sie der stechende Geruch störte, riefen die AnwohnerInnen eines Parkplatzes in der westungarischen Stadt Györ am Samstag die Polizei. Als Ausgangsort des Gestanks machten die Beamten einen abgestellten Lastwagen aus. Als sie dessen Laderaum öffneten, entdeckten sie 18 Leichen.

Erste Nachforschungen ergaben, daß die 17 Männer und eine Frau aus Sri Lanka stammten. Sie waren Angehörige der dort lebenden tamilischen Volksgruppe – Flüchtlinge auf dem Weg nach Deutschland. Die ungarische Nachrichtenagentur MTI berichtete am Samstag unter Berufung auf die Polizei, die Menschen seien bei Temperaturen von 36 Grad Celsius vermutlich erstickt.

Die Budapester Polizei teilte gestern mit, inzwischen sei es gelungen, den Eigentümer des in Bulgarien registrierten Fahrzeugs zu identifizieren. Vom Fahrer des Lkws sowie von den Schleppern, die die Flüchtlinge illegal hätten nach Deutschland bringen sollen, fehlt aber nach wie vor jede Spur. Die Srilanker hatten nach Angaben der Polizei offenbar zwei Tage lang bei hohen Temperaturen ohne jegliche Nahrung und Getränke in dem Lastwagen gesessen. 19 weitere Flüchtlinge, die im Anhänger des Lastwagens versteckt waren, hatten die Horrorflucht überlebt. Nach Behandlung im Krankenhaus wurden sie gestern in die Flüchtlingssammelstelle Györ gebracht.

Die Überlebenden des Transports berichteten, die Schlepper hätten sie am Freitag aus dem Fahrzeug geholt und behauptet, sie seien in Deutschland. Ein Polizist war auf den Lastwagen aufmerksam geworden, der mit geöffneten Fenstern geparkt war. Gefunden wurden die Leichen aber erst, nachdem sich die Anwohner des Parkplatzes über den Gestank beklagt hatten.

Offiziell transportierte der Lastwagen Plastikwaren nach Frankreich. Die Srilanker hatten sich hinter dem Transportgut versteckt. Fahrzeugpapieren zufolge hatte der Lastwagen am 13. Juli die ungarisch-rumänische Grenze bei Nagylak passiert und „Plastikersatzteile“ geladen. Drei weitere Flüchtlinge – zwei Tamilen und ein Iraker – wurden gestern vermißt. Nach ihnen wurde in ganz Ungarn gefahndet.

Die Überlebenden gaben an, sie hätten den Lastwagen in Rumänien bestiegen und für die organisierte Flucht 800 US-Dollar bezahlt. In den letzten Jahren ist Ungarn eines der wichtigsten Transitländer für die Flüchtlinge aus Osteuropa, Asien und Afrika in den wohlhabenden Westen Europas geworden. Eine Tragödie von derartigem Ausmaß hat sich aber in Ungarn bislang nicht ereignet.

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