„Das ist nicht standesgemäß für einen Sozialstaat“

■ Die Vorsitzende des Seniorenschutzbunds Graue Panther, Trude Unruh, hält nichts von Zwangssolidarität: Sie findet eine Unterhaltspflicht bei Wohngemeinschaften lebensfremd

Ältere Dame am Telefon: Seniorenschutzbund Graue Panther e.V. Hallo!

taz: Hallo. Sie sind doch ExpertInnen für Seniorenwohngemeinschaften. Was sagen Sie denn zu dem Ansinnen, daß Menschen in Wohngemeinschaften gegenseitig unterhaltspflichtig sein sollen?

???: Ja, dat finden wir janz riesig! Dat kütt doch im Leben nit dorsch. Dann wird ja demnächst auch noch die janze Nachbarschaft zur Kasse jebeten! Wirklich riesig! Einen Moment, ich hol mal Frau Unruh!

Trude Unruh: Unsinn! Ich habe mir darüber auch noch gar keine Gedanken gemacht und kenne den Text nicht. Aber wenn Menschen sich gegenseitig helfen, ist das freiwillig und kann nicht zwangsverschrieben werden. Es kann aber auch nicht bestraft werden. Es wird sich gemeinsam und gegenseitig geholfen. Wir praktizieren solche Modelle seit elf Jahren. Die Leute bei uns haben darin alle ihre eigenen Wohnungen und eigene Verträge.

Und was ist – mal als Beispiel – mit zwei Renterinnen, die im Alter zusammen in eine Wohnung gezogen sind?

Das ist doch ganz normal. Dann haben die eben zusammen eine große Wohnung.

Und wenn eine von beiden zur geringen Rente Sozialhilfe bezieht und die andere nicht?

Ach was, das geht doch gar nicht, daß die dann zahlen muß. Wir sind ja schon gegen die Sippenhaft ersten Grades, daß zum Beispiel Ihre erwachsene Tochter für Sie zahlen soll, wenn Sie mal alt sind, oder daß die für Sie aufkommen muß, wenn Sie arbeitslos werden. Da ist von unterhaltspflichtiger Haushaltsgemeinschaft bei Nichtverwandten noch gar nicht die Rede.

Aber der Entwurf ist da und kommt aus dem Hause Seehofer. Und unsere beiden Rentnerinnen hätten demnach zu beweisen, daß sie sich eben nicht gegenseitig helfen.

(lacht) Die spinnen immer mehr. Das geht doch gar nicht! Solche Albernheiten müßte man abwählen, dann hat sich das. Wer will denn das kontrollieren? Kochtopfverhältnisse hat es schon immer gegeben. Sollen die jetzt beweisen, daß sie zwei Kochtöpfe haben? So ein Vorschlag will erst gar nicht in meinen Kopf hinein.

Und wenn doch?

Das wäre einfach menschenunwürdig. Ich halte nichts von solchen Formen der Zwangssolidarität. Das funktioniert nicht. Das ist doch immer nur eine Ausnutzung der Schwächeren. Und das ist nicht standesgemäß für einen Sozialstaat. Außerdem, wie wollen die das denn kontrollieren? Durch Blockwarte? Außerdem kann ich mir das bei dem Seehofer gar nicht vorstellen, daß der auf einmal so eng im Kopf ist. Der ist doch sonst ein ganz fortschrittlicher Mann. Interview: Heide Platen