piwik no script img

Kein zweites Solingen in Remscheid

■ Gewaltiger Presseauftrieb nach Brand in einem Wohnhaus und Falschinformation über Brandverstärker / 20 Verletzte / Ursache war offenbar fahrlässiges Verhalten

Remscheid (taz) – Den ganzen Vormittag hat Fatih B. nun schon die Ereignisse der Brandnacht in unzählige Mikrophone geschildert. Doch als jetzt ein etwas zu spät anrückendes Fernsehteam ihn erneut bedrängt, ist Schluß: „Ihr hättet früher kommen müssen. Ich kann nicht mehr.“ Und dann verschwindet B. im Haus seines Vaters, dessen äußere Fassade keinerlei Brandspuren aufweist. Nur wenn sich die Haustür öffnet, wird klar, warum hier Dutzende von ReporterInnen und Polizeibeamten die Straße versperren. Dann dringt Brandgeruch aus dem Treppenhaus, das gegen 3.20 in der Nacht zum Entsetzen der zahlreichen Bewohner – 37 Türken, 3 Deutsche, ein Italiener – pötzlich in Flammen stand.

Hilmi Cetin, der in der dritten Etage des dreistöckigen Gebäudes wohnt, wurde von seiner Frau geweckt. „Die hat einen Knall gehört.“ In der unteren Etage schlugen den zum Flur eilenden Menschen schon Flammen entgegen. Oben versperrte ein beißender Qualm den Fluchtweg. Cetin band ein paar Bettücher zusammen: „Damit habe ich dann meinen eineinhalbjährigen Sohn nach unten gelassen.“ Weitere Hausbewohner aus der oberen Etage konnten ihre Wohnung über die Drehleiter der Feuerwehr verlassen. Cetin selbst harrte so lange aus, bis das Feuer im Treppenhaus gelöscht war.

Insgesamt erlitten 20 Personen, davon vier Kinder, zum größten Teil leichte Rauchvergiftungen. Beim Sprung aus dem ersten Stock brach sich ein Mann die Ferse. Insgesamt ein Brand mit glimpflichem Ausgang, der allein deshalb soviel Aufsehen erregte, weil es in einer ersten Meldung der zuständigen Wuppertaler Polizei hieß, sie gehe „von Brandstiftung aus, da im Treppenhaus ein Brandbeschleuniger gefunden wurde“.

Doch diese Meldung, die auf Angaben der Feuerwehr beruhte, war, so die Polizei ein paar Stunden später, „eindeutig falsch“. Zu diesem Ergebnis kam eine 27köpfige Ermittlungsgruppe und ein Brandsachverständiger, der den Einsatz eines Brandbeschleunigers definitiv ausschloß. Nach dessen Untersuchungen entstand das Feuer aus einem Schwelbrand, dessen Ursprung in zwei auf dem Flur abgestellten Kinderwagen zu vermuten sei. Wahrscheinlich ausgelöst durch „fahrlässige Brandstiftung“. Also, Gott sei Dank, doch kein zweites Solingen im Bergischen Land! Die Erleichterung ist jetzt groß. Hilmi Cetin, der bisher zusammen mit Freunden im Erdgeschoß des Brandhauses ein „Internationales Café“ betrieb, will weitermachen wie bisher: Denn „irgendwelche Bedrohungen hat es uns gegenüber in der Vergangenheit nie gegeben“. Walter Jakobs

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen