Sanssouci: Vorschlag
■ Trash aus den Fünfzigern: Ed Woods größte Flops wieder im Kino
Bela Lugosi (l.) in „Bride of the Monster“ Foto: Verleih
Die verdiente „Edition Salzgeber“ hat sich einiges vorgenommen. Im Fahrtwind der gerade angelaufenen Verfilmung von Ed Woods Leben will man „Plan 9 from Outer Space“, „Glen or Glenda“ und „Bride of the Monster“, die drei berühmtesten Filme des unfreiwilligen Trash-Regisseurs Ed Wood, bundesweit in großen Sälen zeigen. „Seine Arbeit mag weit davon entfernt sein, groß oder auch nur gut zu sein, aber er machte Filme“, sagte sein Freund David Ward. „Viele Leute hier (in Hollywood) versuchten immer wieder, Filme zu machen, und hatten es nie geschafft.“ Ed D. Wood Jr. gelang es, zwischen 1953 und 1965 nach dem Beckettschen Prinzip „Immer versucht, immer gescheitert. Wieder versucht. Wieder gescheitert.“ einen Flop nach dem anderen zu produzieren. Andere hätten unter – vor allem finanziell – so widrigen Bedingungen längst aufgegeben: Als er für „Bride of the Monster“ einen Kraken brauchte, klaute er sich einen aus dem Studio nebenan. Bela Lugosi mußte in der Schlußszene selbst die Tentakeln führen, die ihn erwürgten. Als Lugosi während der Dreharbeiten zu „Plan 9“ starb, ließ er ihn doubeln von einem, der mit ihm keinerlei Ähnlichkeit hatte. Auf den Filmplakaten warb er mit Lugosi als Hauptdarsteller, obgleich er nur in einer Zweiminutenszene zu sehen ist, deren Zusammenhang mit der obskuren Handlung nicht recht klar wird.
Die arrogante Meinung, Woods Filme seien so toll, weil eben so schlecht, übernimmt die fragwürdigen Qualitätsmaßstäbe Hollywoods und verweigert sich dem ästhetischen Genuß der skurrilen Low-budget-Streifen. Gerade in den „Fehlern“, von denen es in Woods berühmtestem Werk, „Plan 9 from Outer Space“ (1959), nur so wimmelt – unmotivierte Schnitte von Tag- zu Nachtszenen, Grabsteine aus Pappe, silberglänzende Radkappen als Ufos und so weiter – pochen seine Filme auf ihr Recht, dazusein. Natürlich wollte der Regisseur seinen Zuschauern angsteinflößendes Illusionskino bieten; natürlich konnten seine Filme diesen Anspruch nie erfüllen. Allein: In der Filmgeschichte wäre Ed Wood längst vergessen, hätten seine Filme sich den Ansprüchen ihres Regisseurs gefügt. Auch gelungene Monster der 50er Jahre vermögen den heutigen Zuschauer kaum noch in Angst und Schrecken zu stürzen. Ed Woods Filme leben in ihren Bruchstellen. Sie sprechen vom authentischen, emphatischen, kurz: schönen Wollen, eine außergewöhnliche Geschichte zu erzählen. Wer will, kann auch anderes finden: Brechtsche Verfremdungseffekte, das, was man so Zitatcharakter nennt, eine verspielte Theorie des Films und somnambule Surrealismen.
„Das moderne Kunstwerk ist alles, was man will“, schreibt Gilles Deleuze in „Proust und die Zeichen“. „Es ist eine Maschine und funktioniert in solcher Weise.“ Man könnte sicher darüber streiten, ob die Maschinenmetaphorik zum Verstehen von Kunstwerken in digitalisierten Zeiten noch taugt; auf die Filme Ed Woods läßt sie sich anwenden. „Plan 9 from Outer Space“ wäre dann eine dreckige alte Fabrik, die faucht und stottert, rostig sind die alten Rohre, Öl tropft, überall stößt man auf notdürftig hingepfuschte Reparaturen, „aber es funktioniert“. Der von einer baptistischen Sekte finanzierte Film gilt als das Meisterwerk Ed Woods. Um an das Geld zu kommen, mußte sich das Team taufen lassen, wobei der schwergewichtige Tor Johnson, einer der sympathischsten Bösewichte der Filmgeschichte, der als „really strange“ galt, „when he was drunk“, beinahe ertrank. Zwischen Ufos, seltsamen Flugzeugcockpits und Friedhöfen geht es um recht menschlich aussehende Außerirdische, die das Universum vor der Destruktivität der Erdbewohner schützen wollen. „Bride of the Monster“ (1958), ein Vorläufer der „Rocky Horror Picture Show“, erzählt vom „mad scientist“, der sich mit allerlei Monstern an der Welt rächen will.
Der Ed-Wood-Film, den auch die lieben werden, die dem Trash eher abgeneigt sind, ist jedoch das Transvestitendrama „Glen or Glenda“ (1953) – „possibly the greatest schlock movie ever“, so der Kritiker John Henderson. Ed Wood spielt einen jungen Mann, dem „in Frauenkleidern wohler ist“ und der nicht weiß, wie er es seiner Verlobten sagen soll. Ein hochdramatischer Bela Lugosi hält, als Erzähler, Gott oder Teufel zwischen Büchern und Totenköpfen die wirrsten Monologe über Werden, Vergehen und die Relativität von Gut und Böse. Zwischendurch gibt es hochdramatische Unwetter und Bilder vom Krieg, den sowohl Wood als auch sein Held in Frauenunterwäsche erlebten. Besonders beeindruckend sind die wissenschaftlichen Anmerkungen zum Transvestitentum: „Gibt man diesem Mann einen Satinslip, ein Kleid, einen Rock oder auch diesen Freizeitdreß, ist er der glücklichste Mensch der Welt. So kann er besser arbeiten, besser denken, besser spielen. Und er macht seiner Gemeinschaft und Regierung mehr Ehre.“ Noch zu Ed Woods Lebzeiten erschien ein Buch, das ihn als schlechtesten Filmregisseur Hollywoods feierte. Er lachte nur darüber. Detlef Kuhlbrodt
Moviemento, Notausgang, Brotfabrik, Freiluftkino Hasenheide, Freiluftkino Bethanien. Termine und Adressen siehe cinemataz.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen