„He isn't good“ – „Er is'n Arsch“

■ Stella, Helga und Sweet kreischen sich durch „Tri-Star“, das neue Programm im Chamäleon, das mit Frank Lehmann auch einen neuen Geschäftsführer hat

Selbst sommerliches Wetter hält in Berlin niemanden davon ab, sich in schwül-stickige Räume zu quetschen. Die Zuschauer suchen sich ihren Weg durch die baustellenverwinkelten Hackeschen Höfe. Bei jedem Varietébesuch ein neuer Eingang, das erhöht die Spannung. „Tri-Star“ heißt das neue Programm in der Regie von Detlef „Scheinbar“ Winterberg, das bis zum 15. Oktober den Jugendstilfestsaal des Chamäleon füllen soll.

Stella, Helga und Sweet nennen sich die drei Damen, die sich unter dem spacigen Titel zusammengefunden haben. Drei schrille Weiber, die sich durchs Programm keifen, kreischen, kalauern und dabei noch ganz passabel singen. Die Story: Stella Dallas, Ex-Showgirl aus Las Vegas und Ex-Unterhalterin der amerikanischen Truppen, muß sich für die Show mit zwei Frauen zusammentun, die so gar nicht ihrem elitären Bewußtsein entsprechen. Stella singt gerne französische Chansons, rollt dabei das R und ihre männerverschlingenden Augen und möchte eigentlich nur das starke Geschlecht beeindrucken. Ihre beiden Kolleginnen stehen mit ihrer Tapsigkeit dem Vorhaben im Wege. Sweet Helen aus Kansas ist das Dummchen: adrette Frisur, offenherzige Kostümchen und ein offenes Herz für alle Männer. GI Harry hat sie verlassen, warum, weiß niemand so genau. Auf jeden Fall trank er schon zum Frühstück Bier, was sie zu hochgeistigen Aussagen wie „men are fools, they leave you high and dry“ veranlaßt. Auch vor ihr sind die Männer nicht sicher, jeder Mann im Publikum st ein potentielles Opfer, dessen Schoß als Sitzplatz dienen könnte.

Helga, die schrille Bremerin, ist die einzige Deutsche. Ihre Übersetzungskünste sind legendär: „He isn't good“, trällert Sweet in „My man“ – „er is'n Arsch“, schreit Helga, und die rosa Feder am Pferdeschwanz wippt. Ihre Stärke liegt eher in den bluesigen Liedern, die sie mal traurig, mal verzweifelt- aggressiv vorträgt. Das ist überhaupt das Problem von Nancy Buell, Sylvia Moss und Louisa Bradshaw: Sie haben komisches Talent und können singen, aber ihre Attitüden wirken aufgesetzt, ihre Gags übertrieben – und altbekannt.

Zwischen den Auftritten der drei Grazien werden die männlichen Artisten, Clowns und Taschenspieler angekündigt und mit „honey“ oder „darling“ begrüßt. Beeindruckend ist Till Pöhlmann mit seinem durch die Lüfte gewirbelten, fluoreszierenden Silberstab. Beatrix Thomas schwingt sich als Fledermaus zu „Carmina Burana“ in luftige Höhen und wird von den im Käfig eingeschlossenen Tri-Stars wunderschön begleitet.

„Magic-artist“ Oguz Engin kann dagegen mit seinen Seiltricks nicht so recht beeindrucken – zumal ich genau diese erst neulich bei einem Straßenartisten am Düsseldorfer Rheinufer sah; schön verwirrend sind aber seine Kartentricks. Hermann alias Andreas Hopper blödelt sich dumm-doof mit den immer gleichen Frankensteinfratzen als der Depp durchs Programm.

Eine wesentliche Veränderung ist dem Chamäleon-Programm mit dieser Show also nicht anzumerken, obwohl die Leitung vor kurzem gewechselt hat. Neuer Geschäftsführer ist Frank Lehmann, der sich selbst als „Sozialmanager“ bezeichnet; bisher leitete er die Berliner Aids-Hilfe. Zum Varieté kam er ohne kulturelle Vorkenntnisse, auf „informellem Wege, wie das so üblich ist“. Die vorherigen Gesellschafter, die alternierend die Geschäftsführung übernahmen und dadurch, so Lehmann, „in Rollenkonflikte“ gerieten, bleiben weiterhin dabei. Peter Rose und Harald „Hacki“ Ginda werden auch in Zukunft ihre eigene Show in den Hackeschen Höfen präsentieren. Elke Eckert

Bis 15. 10., Mi.–So. 20.30 Uhr, Chamäleon, Rosenthaler Straße 40-41, Mitte