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Berliner Maulwürfe sind „dumme Bankräuber“

■ Fünf Tatverdächtige des Geiseldramas vor drei Wochen sind festgenommen / Polizei spricht von einem Erfolg, doch die andere Hälfte der Tätergruppe fehlt noch

Berlin (taz) – Ist die Geiselnahme in einer Filiale der Commerzbank im Westberliner Stadtteil Zehlendorf, bei der vor drei Wochen vier maskierte Männer 5,6 Millionen Mark Lösegeld erpreßten und durch einen Tunnel entkamen, ein Coup stinknormaler Bankräuber, die sich durch menschliche Schwächen verraten haben? Oder sind der Polizei bisher nur die kleinen Fische ins Netz gegangen, während die Großen längst auf einer Karibikinsel die Moneten zählen?

Neue Schuhe für vierhundert Mark, edle Klamotten, der urplötzliche Kauf von kompletten Wohnungseinrichtungen – mit Hilfe von Hinweisen aus der Bevölkerung gelang es der Sonderkommission „Coba“ (Commerzbank) des Landeskriminalamtes Berlin, am Donnerstag drei und gegen Mitternacht einen weiteren Tatverdächtigen festzunehmen. Der erste Tatverdächtige, der der Polizei bereits vor zwei Wochen ins Netz ging, sitzt weiterhin in Haft. Gestern bei Redaktionsschluß wurden zwei Tatverdächtige dem Haftrichter vorgeführt. Der zuletzt Festgenommene, ein 23jähriger Deutscher, wird voraussichtlich heute dem Haftrichter vorgeführt. Bei den anderen handelt es sich um Syrer zwischen 32 und 45 Jahren, die seit vielen Jahren in Deutschland leben und bisher „nicht wesentlich polizeilich in Erscheinung“ getreten sein sollen. Auf der gestrigen Pressekonferenz verkündete Generalstaatsanwalt Hansjürgen Karge: „Wir tappen nicht mehr im Dunkeln.“ Er lobte den Einsatz der „großstadtwürdigen Polizei“ bei der „großstadtwürdigen Straftat“. Nach anfänglicher Begeisterung über den profimäßigen Bankraub habe sich nun herausgestellt, daß die Täter „doch nur dumme Bankräuber“ seien. Aus Sicht der Ermittlungsbehörden handele es sich „um die Richtigen“, so Karge weiter. Deshalb spreche er auch ganz bewußt von „den Tätern“. Der Generalstaatsanwalt freute sich gestern besonders über „einen der Herren“, der Angaben machte, „die uns froh, heiter und zuversichtlich stimmen“. Welche sagte er aber nicht. Die Ermittlungsbehörden glauben, den Plan und die Durchführung des Bankraubs „im Einzelnen“ zu kennen und bald alle Täter zu haben.

Ob unter den fünf Festgenommenen die vier maskierten Bankräuber sind, die sechszehn Geiseln eine ganze Nacht lang in der Bank festgehalten hatten, oder ob es sich nur um Handlanger handelt, sagte der Leiter der Soko, Detlef Büttner, mit Hinweis auf die noch laufenden Ermittlungen nicht. „Über die Hälfte der Tätergruppe haben wir“, verriet er. Von der Beute fehlt allerdings jede Spur. Barbara Bollwahn

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