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Deutschland soll Flüchtlinge aufnehmen

■ Evangelische Kirche verlangt mehr Hilfe für die Kriegsopfer in Bosnien / Iris Blaul (Bündnisgrüne) will den Flüchtlingen vor allem vor Ort helfen

Berlin (dpa/AFP/taz) – Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat an Bund und Länder appelliert, unverzüglich mehr bosnische Flüchtlinge und Vertriebene in Deutschland aufzunehmen. Die Politiker müßten sich „schnell über den Status dieser Menschen einigen“, erklärte die EKD am Samstag in Hannover.

Auch der SPD-Politiker Freimut Duve verlangte die Aufnahme weiterer Flüchtlinge aus Bosnien- Herzegowina. Zwar sei Deutschland neben Kroatien und Österreich das Land, das sich bislang am meisten für Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien geöffnet habe, sagte Duve. Er forderte aber zugleich: „Angesichts des Völkermords und der unendlichen Not muß Deutschland weiter bereit sein, zu helfen und bedrohte Menschen aufzunehmen.“ Es gebe gerade in Deutschland größere Bereitschaft, Flüchtlinge aufzunehmen, „weil die Menschen wissen, was Vertreibung und Völkermord bedeutet“. Duve forderte zudem, die UN-Schutzzonen Goražde, Bihać und Sarajevo auch militärisch zu schützen.

Die hessische Ministerin für Jugend, Familie und Gesundheit, Iris Blaul (Bündnis 90/Die Grünen), nannte die Flucht von Bosnien nach Deutschland für die Menschen nur die zweitbeste Lösung. Statt dessen sollte im Bürgerkriegsland selbst vermehrt Überlebenshilfe gegeben werden. Allerdings könne die Alternative zur Flucht nach Deutschland nicht sein, daß die Menschen im Krieg sterben, sagte die Ministerin.

In mehreren deutschen Städten wurde am Wochenende gegen die Politik der UN und der Europäischen Union im Bosnien-Konflikt demonstriert. In Nürnberg beklagten die überwiegend bosnischen Demonstranten den Verrat an ihrem Volk. Die Völkergemeinschaft sehe dem „zweiten Holocaust“ tatenlos zu. Der ehemalige Bundeswehradmiral Elmar Schmähling rechnet bei Nato-Luftangriffen damit, daß die bosnischen Serben wieder Geiseln nehmen und brutaler gegen die Zivilbevölkerung vorgehen.

Die Hilfsorganisationen Caritas und Rotes Kreuz, die erst in der vergangenen Woche den Rückgang der Spenden für ihre Arbeit in Bosnien beklagt hatten, sehen mittlerweile wieder eine zunehmende Hilfsbereitschaft der deutschen Bevölkerung.

Der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung sagten Sprecher beider Organisationen, es gebe Anzeichen, daß die Menschen in Deutschland wieder auf das Elend der Flüchtlinge und Vertriebenen reagieren. Die evangelische Kirche rief am Wochenende zu verstärkten Spenden für die Flüchtlinge auf.

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