Stadt, Land und Flußbad

Seit einem Jahr hat das Flußbad Köpenick in der Kietzer Vorstadt geöffnet / Ein ungewöhnliches Projekt mit Fahrradwerkstatt samt Flußkneipe  ■ Von Uwe Rada

Man kann leicht daran vorbeigehen. Von der Gartenstraße aus, mit ihren schiefen einstöckigen Häuschen eine typische Häuserzeile der Kietzer Vorstadt, bietet einzig ein meterbreites Loch den Durchschlupf zum „Flußbad“. Dahinter freilich findet man auf hundert Metern Breite und begrenzt von den Brandmauern der Nachbargebäude eine Flußlandschaft, die überraschender nicht sein kann: Wiese und Sandstrand zum Wasser hin und rückseitig, auf der anderen Seite der Mauer, eine kleine Gebäudezeile samt mediterraner Pergola und einer Flußkneipe namens „Krokodil“. Hier kann man, so kündet ein Plakat, den „legendären Sonnenuntergang“ an der Dahme genießen.

Seit einem Jahr kann im Köpenicker „Flußbad“ in der Gartenstraße 46-48 wieder gebadet werden. Mit der Wasserqualität gibt es keine Probleme. „Die meisten Betriebe an der Dahme haben dichtgemacht“, erzählt der jugendliche Bademeister, „und der Zusammenfluß von Dahme und Spree befindet sich einige hundert Meter weiter.“ Einzig mit der „europäischen Sichttiefennorm“ hapere es noch, scherzt er und springt sogleich mit einem beherzten Kopfsprung vom Holzsteg in den Fluß.

Der Sprung in die Dahme hat an dieser Stelle Tradition. Seit mehr als hundert Jahren wird hier gebadet, 1897 eröffnete schließlich das Flußbad: freilich nur für die Herren der Schöpfung. Die Frauen mußten auf die Revolution von 1919 warten, um schließlich, selbstverständlich räumlich von den Männern getrennt, ebenfalls im Fluß planschen zu dürfen.

Revolutionärer Geduld bedurfte es auch, das Bezirksamt Köpenick davon zu überzeugen, das Flußbad als ABM-Projekt wieder flottzumachen. Anfang des letzten Jahres schließlich gab es grünes Licht: Das Gelände wurde entrümpelt, der Sand ausgetauscht, das Ufer nach Müll und Scherben abgesucht, die Wirtschaftsräume wurden gänzlich renoviert.

Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Unter dem Dach des „Sozialpädagogischen Zentrums Victoria“ findet sich auch eine Fahrrad- und eine Medienwerkstatt und die Redaktion der Stadtteilzeitschrift Der Cöpenicker. Zwei Häuser weiter, in der Gartenstraße 50, soll im August ein Jugendgästehaus eröffnet werden.

Nicht immer freilich war die Nachbarschaft in Köpenick dem Badebetrieb freundlich gesinnt. Kurz nach der Eröffnung um die Jahrhundertwende entdeckte der Nachbar des Bades, der Bootsbauer Perdeß, daß das Badegelände die Grundstücksgrenze um fünf Meter überschritten hatte. Ein Sittenverstoß, den der Bootsbauer nicht auf sich sitzen lassen konnte. Perdeß ging vor Gericht und erwirkte, daß das gesamte Bad 1903 geschlossen wurde und die bauliche Anlage abgerissen werden mußte.