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Geheimniskrämer in Amtsstuben

Das Umweltinformationsgesetz (UIG) hat den preußischen Mief aus den Stadt- und Kreisverwaltungen nicht vertreiben können  ■ Von Ralph Ahrens und Detlef Stoller

„Der Zugang zu umweltbezogenen Informationen im Besitz der Behörden wird den Umweltschutz verbessern“, lautet das Credo der Europäischen Kommission. Keine Geheimniskrämerei, sondern offene Behörden: Der Zugang zu Daten über die Qualität des Wassers, der Luft und des Bodens, aber auch zu Straßenbauplanungen sollte so selbstverständlich sein wie der Kauf einer Briefmarke. Mit dem Umweltinformationsgesetz (UIG) mißlang den deutschen Gesetzgebern jedoch die Umsetzung der Brüsseler Vorgaben gründlich. Dies stellten jetzt Bürger und Bürgerinnen fest, die für das Öko-Test- Magazin alle 445 Umweltämter der kreisfreien Städte und Landkreise nach der Qualität des Trinkwassers und nach Altlasten befragten.

Fazit der Umfrage: Die Behörden nehmen den Steuerzahler nicht ernst. Zwei von fünf Behörden ignorierten die Antwortfrist von zwei Monaten. Nur jede vierte Testperson fand Trinkwasseranalysen, Umweltberichte oder Auszüge aus Altlastenkatastern in ihrem Briefkasten. Einzig den Städten Augsburg, Dortmund, Gelsenkirchen, Hamburg, Lübeck, Mannheim, Stuttgart und Wolfsburg sowie dem hessischen Landkreis Bergstraße gelang das Kunststück, beide Anfragen vollständig zu beantworten.

Jeder achte Sachbearbeiter hingegen verweigerte die Auskunft, indem er über Zeit- oder Personalprobleme jammerte, sich hinterm Datenschutz versteckte oder unbedingt wissen wollte, wieso und warum man sich dafür interessiere. Deutsche Beamte tun sich eben schwer, „sich vom absolutistischen Prinzip der Geheimhaltung zu lösen“, meint Gertrude Lübbe- Wolff, Professorin für öffentliches Recht an der Uni Bielefeld.

Der deutsche Gesetzgeber fürchtet die Öffentlichkeit: So dürfen keine Umweltdaten aus Genehmigungs- und anderen Verwaltungsverfahren weitergegeben werden. Zwar untersagt auch die Brüsseler Transparenz-Richtlinie, aus Gerichts- oder Ermittlungsverfahren zu plaudern. Doch sieht die Europäische Kommission keinen Grund, Daten aus Planfeststellungsverfahren unter Verschluß zu halten. Zum andern zwingt das UIG die Verwaltungen, Gebühren für Amtshandlungen zu erheben, um die anfallenden Kosten zu decken. Nach dem Willen der europäischen Legislative können Gebühren jedoch nur in angemessener Höhe für die Übermittlung der Information erhoben werden.

Umweltschützer wie Thomas Lenius, Chemiereferent vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), sprechen daher inzwischen von einem „Umweltinformations-Verhinderungsgesetz“. Die Gebühren verwandeln das Informationsrecht für jedermann in ein Privileg für begüterte Bürger, reiche Verbände und Industrieunternehmen. Bis zu einer halben Million Mark sollten die Testpersonen für die gewünschten Auskünfte zahlen.

Auch die Kommission wirft der Bundesregierung vor, daß „über hohe Gebühren erreicht werden soll, daß weniger Informationen über die Umwelt nachgefragt werden“, und erklärt, daß „kein anderer Mitgliedstaat (...) derart hohe Gebühren erhebt wie deutsche Behörden“. Die Kommission plant, Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof zu verklagen, und bat die Bundesregierung im März, sich innerhalb von zwei Monaten zu äußern. Doch bis heute gibt es keine Stellungnahme.

Die Kreise und Städte in den fünf neuen Bundesländern kamen im Behördentest besonders schlecht weg: Nur 14 Prozent aller Behörden informierten hier die Bürger; im Westen waren es immerhin 28 Prozent. Im Osten scheint auch die „Kopf in den Sand“-Mentalität verbreiteter zu sein. Während im Westen 36 Prozent die Antwortfrist ignorierten, verstießen im Osten 43 Prozent gegen das neue Gesetz. Vielleicht nicht einmal wissentlich. Denn gerade jede zehnte Behörde bezog sich im Antwortschreiben auf das UIG – um in der Regel dann nicht zu informieren.

Auch die politische Farbe bestimmt die Auskunftsfreude. Wer in CDU-regierten Bundesländern nach Umweltdaten fragt, braucht statistisch gesehen mehr Glück als in SPD-regierten Bundesländern; unter CDU-Einfluß informierte nur jede fünfte Behörde, unter SPD-Einfluß jede vierte. Andererseits verbesserte der mehrjährige „grüne Einfluß“ in Bremen, Hessen und Niedersachsen den Informationsfluß noch nicht.

Überraschend auskunftsfreudig waren die Bayern, wenn man von denen aus Franken absieht: Nur jede sechste fränkische Behörde informierte, doch immerhin jede dritte bei den „echten“ Bayern. In Franken informierte nur der Landkreis Rhön-Grabfeld über Altlasten; hier beantwortete der Sachbearbeiter die Frage nach der Größe der Altlasten ebenso kurz wie unpräzise mit „unterschiedlich“.

Nicht alle Behörden pokern um Zuständigkeiten, Verweigerungen und Gebührendrohungen: So informierte das badische Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald ausführlich auf fünf Seiten über Trinkwasser und Altlasten und zeigte sich außerdem dialogbereit: „Sollten sie zu einzelnen Punkten noch Fragen haben, stehen wir Ihnen gerne zur Auskunftserteilung zur Verfügung.“

Daß Schlafmützen, Geheimniskrämer und Beutelschneider nicht der Verwaltungen Zukunft sind, erkannte auch der Deutsche Landkreistag und fordert mehr Bürgerorientierung. Dies ist für Gertrude Lübbe-Wolff längst überfällig: „Der Verwaltung in einem demokratischen Staat muß Vertrauen entgegengebracht werden, und solches Vertrauen kann sie nur gewinnen, wenn sie sich in die Karten gucken läßt.“ So haben gläserne Verwaltungen in Schweden und den USA nicht nur im Umweltbereich eine lange Tradition. In Deutschland hingegen regelt bisher nur das UIG die Informationsrechte des Bürgers gegenüber den Verwaltungen.

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