Öl und Militär entkommen

■ Asylbewerber Anthony Edeh aus Nigeria: "Unser Kampf ist richtig"

Anthony Edeh, politischer Berater der Ölarbeitergewerkschaft in Nigeria, mußte Anfang des Jahres nach Deutschland fliehen. Er gehört zum Volk der Ogoni, das von Militär und Shell in der Provinz „River State“ unterdrückt wird. Der 46jährige Edeh studierte in den siebziger jahren Politologie in den USA. Sein Asylantrag in Bremen wurde bereits abgelehnt, Edeh will einen Asylfolgeantrag stellen. (Siehe taz vom 27.7.95)

taz: War Ihre Flucht aus Nigeria eine spontane Entscheidung?

Anthony Edeh: Nein. Spontan war nur meine Flucht aus dem Ogoni-Land. Direkt nach den Aufständen am 12. November letzten Jahres. Ich habe mich einige Wochen in Benin (Stadt) versteckt, von dort bin ich nach Lagos. Während der Zeit haben meine Gewerkschafter-Kollegen eine Fluchtmöglichkeit nach Deutschland arrangiert.

Wo haben Sie sich versteckt?

Zuerst in Benin bei meinem ehemaligen Schwager. Als im Radio und Fernsehen gemeldet wurde, daß ich gesucht werde ...

Sie wurden steckbrieflich gesucht?

Nicht nur ich, viele von uns wurden mit Foto und vollem Namen gesucht. Die Provinzregierung kennt ihre potentiellen Gegner, deswegen rufen sie alle in Frage kommenden Personen auf, zur nächsten Polizei zu kommen.

Wollten Sie raus aus Nigeria?

Ehrlich gesagt, war ich nicht dafür, das Land sofort zu verlassen. Meine Kollegen sagten, daß das die einzige Möglichkeit für mich ist, da schon einige Bekannte von mir verhaftet worden waren. Zuerst wollte ich in die USA emigrieren aber ich hatte weder Pass noch Visum. Nach Deutschland konnte ich dann über Gewerkschafts-Verbindungen kommen.

Und Ihre Familie mußten Sie zurücklassen.

Aufgrund der politischen Krise lebten meine drei Kinder schon in einer anderen Stadt. Sie leben jetzt bei meinem Bruder.

Haben Sie Angst, daß das Regime auch sie verfolgt?

Nein, ich glaube, soweit wird es nicht kommen. Meine Familie hat zwar sehr unter meiner politischen Arbeit gelitten, meine Frau und ich haben uns deswegen scheiden lassen. Mein Bruder arbeitet außerdem für die Regierung, er ist also auf der anderen Seite.

Der politische Konflikt zieht sich also durch Ihre Familie.

Das kommt oft in Nigeria vor. Mir ist es unbegreiflich, wie man als Ogoni dieses Regime unterstützen kann.

Wann haben Sie angefangen, in der Gewerkschaft aktiv zu arbeiten?

Ende 1990. Zur Zeit der zivilen Regierung von 1979 bis 1983 hatte ich schon als Berater für die Regierung gearbeitet. Dann kamm der Militätputsch und ich kam bis 1986 ins Gefängnis. Ab 1986 begann dann die Zeit des Übergangs. Ich habe für die Partei von Moshood Abiola gearbeitet, der 1993 die Wahl gewann. Aber die Armee hat die Wahl annuliert. Damals begann die Nigerian Union of Petroleum and Natural Gas (Nupeng) sich politisch stark zu engagieren. Alle politischen Parteien und Organisationen waren verboten, so daß die Gewerkschaft das einzige Forum für organisierten Protest war.

Aber Nupeng war schon vorher eine wichtige Gewerkschaft.

Ja, aufgrund der strategischen Bedeutung des Öls für die Wirtschaft des Landes, war die Organisation schon vorher mächtig. Es arbeiten über 100.000 Leute in der Ölindustrie, die uns alle unterstützt haben. So konnten wir auch einen dreimonatigen Streik im letzten Jahr organisieren. Die Wirtschaft war sozusagen gelähmt.

Wurden Sie da schon verhaftet?

Nein, ich erstaunlicherweise nicht. Zunächst sah es so aus, als wenn für mich keine Gefahr bestünde. Wir haben uns dann entschlossen in den Untergrund zu gehen und mit der ethnischen Organisation der Ogoni zusammenzuarbeiten. Ich organisierte den Studentenprotest im November. Dadurch wurde ich einer der bekanntesten Oppositionellen.

Wie sehen die ökologischen Zerstörungen aus?

Ich denke, daß sie die Hauptursache für den Kampf der Ogoni sind. Es fing ja als ökologische Protestbewegung an. Die Menschen dort leben traditionell vom Fischfang. Aber fast alle Flüsse des Nigerdeltas sind durch die Ölförderanlagen verseucht, ihre Fische sind tot.

Das muß ja ziemlich stinken.

Ja, mit Sicherheit. Viele der großen Pipelines lecken. Außerdem kommt die Gefahr der ausdünstenden Öllachen hinzu. Und der ständige Lärm der Ölförderanlagen.

Wovon leben die Menschen?

Sie müssen Lebensmittel aus anderen Teilen Nigerias einführen, was aber sehr schwer und teuer ist. Es gibt kaum vernünftige Straßen im Ogoni-Land, da es ein ein Sumpfgebiet ist. Die Regierung hat kürzlich angefangen die Menschen zwangsweise umzusiedeln, sowie Shell ein neues Vorkommen findet.

Das Militär kommt mit Lastern an und zwingt die Menschen ...

Ja, wir haben sogar Berichte, daß Ogoni-Frauen während solcher Aktionen vergewaltigt wurden. Da der Ogoni-Protest die Ölförderung lahmgelegt hat, reagiert die Regierung sehr harsch. Kürzlich wurde uns ein Geheimdokument der Regierung zugespielt, aus dem hervorgeht, daß die Vertreibungen und Morde in Ogoni-Land weitergehen sollen bis eine reibungslose ökonomische Situation wiederhergestellt ist.

Wieviele Menschen leben denn überhaupt noch?

Ungefähr 500.000. Rund ein Drittel der Ogoni haben aber schon ihr Land verlassen. Wir glauben, das unser Kampf richtig ist.

Werden Sie von anderen Gruppen in Nigeria unterstützt?

Fast jeder Nigerianer unterstützt die Ogoni!

Fragen u. Übersetzung: ufo