: Joschka Fischer warnt vor sich zersägenden Sozis
■ Während sich die SPD-Spitze streitet, sorgen sich Grüne um den möglichen Koalitionspartner
Hamburg/Berlin (dpa/taz) – SPD-Chef Rudolf Scharping hat am Wochenende den niedersächsischen Regierungschef Gerhard Schröder aufgefordert, seine Karten auf den Tisch zu legen und einen etwaigen Anspruch auf die Kanzlerkandidatur offen anzumelden. „Wer glaubt, daß er selbst oder jemand anders es besser kann, der soll es jetzt sagen“, vertraute Scharping der Bild am Sonntag an.
Schröder konterte in der Augsburger Allgemeinen. Wer ihm überzogene Profilierung vorwerfe, der solle „lieber über sein eigenes Profil“ nachdenken. Allerdings wolle auch er die Personaldiskussion beenden. „Ich bin kein Störenfried, ich will keinen Personalkonflikt.“
Bündnis 90/Die Grünen zeigten sich besorgt über den desolaten Zustand des möglichen Koalitionspartners in spe. Die SPD zersäge sich sehenden Auges selbst, sagte Fraktionschef Joschka Fischer in Bild am Sonntag. Ein Rezept für die Rettung der deutschen Sozialdemokratie hat er jedoch auch nicht parat: Mit der SPD sei es „wie mit schlechtem Wetter. Man kann sich nur wünschen, daß es besser wird.“
Für Grünen-Vorstandssprecher Jürgen Trittin befindet sich die SPD nicht nur in einer Führungs-, sondern in einer Orientierungskrise. Das führe dazu, daß sie irgendwann nicht mehr in der Lage sei, tatsächlich mehrheitsfähig mit den Grünen zu werden, sagte er.
In der Diskussion um den Parteivorsitz hält sich Schröder bislang bedeckt. Scharpings Angebot, über den SPD-Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl 1998 möglicherweise per Urwahl bestimmen zu lassen, hatte er jedoch angenommen. Der bayerische SPD-Vize Albert Schmid und Mitglieder des konservativen „Seeheimer Kreises“ forderten Schröder zur raschen Kandidatur auf. Er solle sich in den kommenden Monaten erklären, ließ er ihn via Spiegel wissen. „Schröder weiß die Chancen der SPD zu optimieren, Kohl mit Kampfgeist zu attackieren und dem Grünen Joschka Fischer die Show zu stehlen.“
Scharping räumte ein, in der Vergangenheit Fehler gemacht zu haben. „Manchmal habe ich wohl zuviel gemacht und zuwenig auf die öffentliche Wirkung geachtet. Aber ich lasse mir nicht jede Disziplinlosigkeit anderer als eigene Führungsschwäche anhängen“, sagte er.
Die bayerische SPD-Vorsitzende Renate Schmidt appellierte derweil an die Parteimitglieder, den Streit zu beenden: „Mit dieser Form der Auseinandersetzung können wir keinen Blumentopf gewinnen“, sagte sie im Mitteldeutschen Rundfunk. Der Streit schade Scharping, Schröder, der gesamten SPD und dem Projekt Regierungswechsel. Kommentar Seite 10
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