: „Das Faß ist voll“
■ AnwohnerInnen machen mobil gegen Haus der Bewährungshilfe
Bernhard Schmidt rechnet mit dem Schlimmsten: „Wenn die jetzt auch noch hierherziehen, dann kann ich mein Haus vergessen. Dann kommt hier keiner mehr zu Besuch.“ „Die“, das sind fünf junge Männer, die ab Mitte August vom Verein für Bewährungshilfe direkt in seiner Nachbarschaft einquartiert werden sollen. „Auch noch“ soll heißen, daß in der kleinen Nollendorfer Straße in der Neustadt schon ein Wohnprojekt ist, und zwar eines der Drogenhilfe. Daß „Die“ nicht auch noch dazukommen, dafür will Schmidt nun sorgen, und er hat das Neustädter Ortsamt auf seiner Seite. Das ist stinksauer, daß es von der Planung nicht vorab informiert worden ist. Am Donnerstag soll es nun zu einer EinwohnerInnenversammlung kommen.
Schmidt hat kein Glück mit dem Nachbarshaus. Über Jahre war es erst von einer Horde Skinheads bewohnt, die am Tag der deutschen Einheit schonmal eine Hakenkreuzfahne aus dem Fenster gehängt haben. Und der Nachbar danach hat das Haus völlig verkommen lassen. Der Verein für Bewährungshilfe hat das zu spüren bekommen: „Wir haben da 20 Kubikmeter Müll rausgebracht. Da war bis zum Schiß in der Ecke alles dabei“, erzählt Christoph Kolkmann, einer der BewährungshelferInnen. Der Verein hatte aber über Monate ein Haus gesucht, da ist man nicht gerade wählerisch.
Kolkmann kann die Aufregung gar nicht verstehen. „Das ist eine ganz normale Wohngruppe. Wenn wir sowas eingerichtet haben, haben wir noch nie vorher die Ämter gefragt.“ Und die Befürchtungen, es könne eine Verbindung zum Wohnprojekt der Drogenhilfe entstehen, die will er auch nicht gelten lassen: „Da sollen keine Drogenleute hinkommen.“ Bislang hätten die Wohngruppen immer in guter Nachbarschaft gewohnt, zum Beispiel 15 Jahre lang im Steintor. „Danach hat nie ein Hahn gekräht.“
Die krähen nun ziemlich heftig, und zwar nicht nur in der Nachbarschaft, auch im Ortsamt und bei der Sozialsenatorin. Ortsamtsleiter Fischer hat einen gepfefferten Brief an die Sozialsenatorin geschrieben, weil er nicht auf offiziellem Wege von der Wohngruppe erfahrten hat. Und die Sozialsenatorin ist sauer auf den Verein, weil der sich nicht vorher gemeldet hat. Behördensprecher Jochen Eckertz: „Man braucht bei solchen Sachen eine Beiratsbefassung. Das Projekt ist in Ordnung, man braucht aber auch einen Platz, der in Ordnung ist.“ Das findet auch Bernhard Schmidt: In Ordnung kann seine Nachbarschaft aber nicht sein. „Bei mir ist das Faß total vollgelaufen.“ Sollte die Einwohnerversammlung allzu hitzig werden, Hilfe ist da: Sie findet am Donnerstag, 19.30 Uhr im „Raum Wangerooge“ der Roland-Klinik statt J.G.
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