„Auf die Barrikaden“

■ Bremerhavener PolizistInnen wollen sich nicht bremisch entmachten lassen

Banküberfall in Bremerhaven. Der bewaffnete Gangster nimmt die Angestellten und Kunden als Geiseln. Die Situation ist brenzlig – jede Sekunde kostbar. Doch statt des beherzten Sprungs in den Streifenwagen greifen die Polizisten zum Telefonhörer. Sie müssen sich den Einsatz in Bremen beim Stab absegnen lassen – von Beamten, die unter Umständen „noch nicht einmal die Straße kennen, in der die Bankfiliale ist“, fürchtet Manfred Sethmann, Vorsitzender des Personalrats der Bremerhavener Polizei. Wenn die von CDU und SPD in Ziffer 12 des Koalitionsvertrages angestrebte Landespolizei Wirklichkeit wird, sieht der Personalrat nicht nur für Einsätze dieser Art schwarz. „Wir müssen uns alles aus Bremen genehmigen lassen. Der Apparat wird träge. Es entstehen mehr Kosten anstatt Einsparungen.“ „Wir sollen ferngesteuert werden – Bremerhaven wird entmachtet“, fürchtet er. „Rein theoretisch reicht ein Stab“, räumt Sethmann ein. „Aber, zwischen Bremen und Bremerhaven liegen 60 Kilometer. Hier vor Ort müssen die Beamten entscheiden. Ein Blick auf die Karte ersetzt nicht den Blick ins Gelände.“

Mindestens 30, vermutlich sogar 50 Stellen will Innensenator Ralf Borttscheller (CDU) durch die Landespolizei einsparen. Die Verwaltung soll schlanker werden. Doch das Rezept für die wirksame Diät muß erst noch gefunden werden: Die Schaffung einer Landespolizeidirektion, die die zwei Polizeichefs entlastet, ist ebenso im Gespräch wie die Zusammenlegung von einzelnen Verwaltungs-Dienststellen wie beispielsweise des Personalamtes. Wenn nach der Zusammenlegung z.B. durch Pensionierung Stellen frei werden, sollen sie nicht wieder besetzt werden. Diese Stellen will Borttscheller von unten her „mit frisch ausgebildeten Polizeibeamten auffüllen“. Statt polizeifremde Verwaltungsarbeiten am Schreibtisch zu erledigen, sollen die Beamten außerdem mehr auf Streife. Dagegen hat auch Sethmann nichts. Allerdings: „Herr Borttscheller müßte uns mal in Bremerhaven besuchen, er würde sehen, daß es bei uns keine Polizeibeamten gibt, die nur mit Verwaltung beschäftigt sind. Wir sind in diesem Punkt weiter als Bremen.“ Auch in technischer Hinsicht seien die Seestadt-Polizisten fortschrittlicher. „Und das liegt nur daran, daß die Geldmittel vor Ort flexibel eingesetzt werden“, betont Sethmann. Polizeichef Michael Viehweger sieht Borttschellers Plänen gelassener entgegen. Er ist Mitglied in der Reformkommission, die sich mit der Landespolizei befaßt. Ende des Jahres soll sie ihr endgültiges Ergebnis vorlegen. „In keiner Untergruppe wurden bisher Argumente für eine Landespolizei gefunden“, berichtet er. „Borttscheller muß uns jetzt Signale geben und genau sagen, wie er sich die Verstaatlichung der Polizei vorstellt“. „Das konkrete Modell muß noch erarbeitet werden“, räumt auch Merve Pagenhardt, persönliche Referentin des Innensenators, ein. Daran, daß die Landespolizei Wirklichkeit wird, hat sie allerdings keine Zweifel. „Bremen ist das einzige Bundesland, das sich Polizeibehörden leistet.“ Ein Argument, das Sethmann nicht beeindruckt: „Wir sind ein Zwei-Städte-Staat und nicht mit den anderen zu vergleichen. Wenn die Landespolizei kommt, gehen wir auf die Barrikaden.“

kes