: Frauen dürfen nicht bevorzugt werden
Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs hält deutsche Quotierungsregelung für „rechtswidrig“ ■ Von Dirk Asendorpf
Seit es sie gibt, ist die Frauenquote heftig umstritten. Schon als 1989 das Gleichstellungsgesetz in Nordrhein-Westfalen in Kraft trat, fühlten sich Männer diskriminiert und klagten. Denn nach der Quotierungsregelung muß der öffentliche Dienst solange Frauen bevorzugt einstellen oder befördern, bis sie die Hälfte aller Beschäftigten stellen. Die bevorzugte Behandlung erfolgt allerdings nur bei gleicher Qualifikation. Entsprechende Regelungen existieren auch in Bremen, Nordrhein-Westfalen, Berlin, Hamburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland. Doch nun droht der Frauenquote im September das Ende. Dann nämlich befindet der Europäische Gerichtshof in Luxemburg im Auftrag des Bundesarbeitsgerichts in letzter Instanz über die Klage von Eckhard Kalanke, dem 1990 bei einer Beförderungsrunde im Bremer Gartenbauamt seine Kollegin Heike Glissmann unter Berufung auf das Landesgleichstellungsgesetz vorgezogen worden war.
Bisher gingen die Frauenpolitikerinnen Bremens und der Senat davon aus, daß Kalanke in Luxemburg mit seiner Klage ebenso unterliegen wird wie bereits vor dem Bremer Arbeits- und Landesarbeitsgericht. Doch das 32seitige Schlußplädoyer des einflußreichen italienischen Generalanwalts der EU, Giuseppe Tesauro, legt einen anderen Ausgang des Verfahrens nahe. Tesauro erklärt darin die Bevorzugung von Frauen im Rahmen der Quote für „rechtswidrig“. Und auch die Briten kommen in einer ausführlichen Stellungnahme zum gleichen Ergebnis.
Zwar gibt es eine EU-Richtlinie zur Gleichberechtigung, in der den Mitgliedstaaten ausdrücklich erlaubt wird, „Maßnahmen zur Förderung der Chancengleichheit“ zu beschließen, dies dürfe aber keineswegs zur Benachteiligung von Männern führen, meint Tesauro. „Es ist völlig offensichtlich, daß es sich dabei um eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts handelt“, schreibt er in seinem Plädoyer. Werden Männer auf diese Art diskriminiert, dann handele es sich damit um einen Verstoß gegen die EU-Gleichberechtigungsrichtlinie, die den „Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung“ festschreibt.
Von der EU-Regelung gedeckt und gemeint sei nicht eine „rein numerische“ Quotierung. Die EU habe eine Bevorteilung von Frauen nur bei der „Arbeitszeit, Einrichtungen für die Kinderbetreuung und anderen Maßnahmen, die es ermöglichen, die familiären und beruflichen Verpflichtungen miteinander zu verbinden“, im Sinn gehabt. Dabei gehe es um die Verbesserung der „Ausgangsposition“ von Frauen, „um eine echte Situation der Chancengleichheit zu gewährleisten“, nicht aber um eine Bevorzugung „in Form eines Ausgleichs für die in der Vergangenheit erlittenen Diskriminierungen“. Frauenförderung sei somit „im Sinne einer Ermutigung zu verstehen und gewiß nicht als mechanische Präferenz“.
Gewollt sei von der EU die „Chancengleichheit und nicht die gleiche Repräsentation von Frauen“, schreiben auch die beiden Bevollmächtigten der britischen Regierung, Lucinda Hudson und Eleanor Sharpston. In der mündlichen Verhandlung im Dezember 1994 in Luxemburg fiel gar von britscher Seite der Satz: „Bei Bevorzugung am Arbeitsplatz wäre noch die Haarfarbe ein besseres Kriterium als das Geschlecht.“
Diese Argumente treffen allerdings nicht den Kern des Problems. So sind zum Beispiel im Bremer Öffentlichen Dienst genau gleich viele Männer und Frauen beschäftigt, allerdings nicht zu den gleichen Konditionen. Während im „einfachen Dienst“ Frauen zu 75 Prozent vertreten sind, gibt es im „höheren Dienst“ 70 Prozent Männer. Was der EU-Generalanwalt gegen dieses Geschlechtergefälle mit besserer Kinderbetreuung oder flexibler Arbeitszeit ausrichten will, erklärt er in seinem Plädoyer nicht.
Anlaß zu seiner entschiedenen Stellungnahme war wohl eher die Tatsache, daß Deutschland mit seinen Quotenregelungen innerhalb der EU einsam dasteht. Um so wichtiger wäre es gewesen, daß das Land Bremen sich wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Verfahrens in Luxemburg bemüht hätte, die 15 ausschließlich männlichen Europa-Richter zu überzeugen. Doch Bremens Regierungsanwalt Gerhard Lohfeld ließ es bei einer einseitigen Stellungnahme bewenden, in der es lediglich heißt, die Vereinbarkeit der Quote mit der EU-Richtlinie „ist offenkundig“. Ansonsten schließe man sich „den Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts in vollem Umfange an“.
Rein formal spielt die Quotierung in den betroffenen Bundesländern keine große Rolle. Mit weniger als einem halben Dutzend Streitfällen muß sich zum Beispiel die Bremer Zentralstelle für Frauengleichstellung pro Jahr befassen. Das geschieht allerdings erst dann, wenn es nicht bereits im Vorfeld zwischen Amtsleitung und lokaler Frauenbeauftragter eine einvernehmliche Lösung gegeben hat. Und das passiert unter dem Druck des Quotierungsgesetzes eben erheblich leichter als ohne.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen