: „Die Zeit wird für die Geschädigten arbeiten“
■ Eberhard Kuhna, der Sprecher der Interessengemeinschaft Holzschutzmittelgeschädigter (IHG), zum Frankfurter Urteil und den Konsequenzen für die betroffenen Menschen
Eberhard Kuhna war als Lehrer an einer Schule angestellt, an der die Fußböden mit Holzschutzmitteln belastet waren. Er hat nach eigenen Angaben 14 Jahre giftige Stoffe eingeatmet. Die Folge waren Immunschwäche und Schäden im Zentralnervensystem, so daß er in den Ruhestand versetzt wurde.
taz: Herr Kuhna, der BGH hat die Verurteilung der beiden Desowag-Manager aufgehoben. Eine Niederlage für die Geschädigten?
Kuhna: Das sehe ich nicht so. Interessant ist doch, daß der Fall an das Landesgericht zurückverwiesen wurde und neu verhandelt werden muß. Begründet wurde diese Zurückverweisung lediglich mit einem Verfahrensfehler.
Nun müssen wohl neue Gutachter hinzugezogen werden, und das Verfahren dürfte sich wohl noch über Jahre hinziehen ...
Ja, aber die Zeit wird für die Geschädigten arbeiten. Denn die Wissenschaft fördert ja ständig neue Erkenntnisse über die Zusammenhänge von Gifteinsatz und Gesundheitsschäden zutage.
Ein Mediziner ist gerade in ein holzschutzmittelimprägniertes Forsthaus gezogen, um in einem Selbstversuch festzustellen, ob dadurch die PCP-Konzentration im Blut steigt. Stützen Sie auf solche Erkenntnisse Ihre Hoffnungen?
Nein. Wenn man sich wie Doktor Stichler und seine Frau lediglich drei Monate solchen Bedingungen aussetzt, werden sie sicher nicht erkranken. Das ist wie beim Alkohol. Wenn Sie jeden Tag größere Mengen davon trinken, mehrere Monate lang, sind Sie ja auch nicht gleich krank. Wenn Sie das aber über fünf Jahre machen, dann sind Sie mit Sicherheit krank.
Die Bundesrichter hatten erst im Februar im Falle eines Ehepaars, das auf Schadenersatz geklagt hatte, festgestellt, daß die Veränderungen im menschlichen Immunsystem durch eine langanhaltende Aufnahme von Holzschutzmitteln in Wissenschaftskreisen unumstritten ist. Wie verträgt sich das damit, daß der BGH die Kläger jetzt auflaufen läßt?
Ich bekomme den Eindruck, daß sich der Richter gar nicht damit beschäftigt hat, worum es geht.
Was wird die IHG machen?
Wir werden abwarten, was am Frankfurter Landgericht passiert und über Strategien auf unserer nächsten Mitgliederversammlung beraten. Interview: Nicola Liebert
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