: Hersteller sind vor Verurteilung nicht gefeit
■ Verfahrensfehler besteht darin, daß ein Gutachter einseitig Partei ergriffen hat
„Die Richter haben nichts zur Sache gesagt, sondern lediglich einen Verfahrensfehler kritisiert“, faßt Rechtsanwalt Wolfgang Baumann zusammen, der zahlreiche Holzschutzmittelgeschädigte vertritt. Er bedauert, daß seine Mandanten jetzt vermutlich noch länger auf Schadensersatz warten müßten; schließlich können sie sich zunächst nicht mehr auf das Strafprozeßurteil des Frankfurter Landgerichts berufen. Er ist aber dennoch optimistisch, daß ihnen letztendlich Gerechtigkeit widerfahren wird: „Im Grunde haben die Richter gesagt: Wenn ihr keinen Verfahrensfehler macht, wird das Urteil Bestand haben.“
Der zweite Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat die Verurteilung der beiden Geschäftsführer mit der Begründung aufgehoben, daß einer der Experten sich nicht neutral verhalten habe. Bereits vor der Hauptverhandlung habe er einseitig Partei gegen die Angeklagten ergriffen, monierten die Rechtsanwälte der Manager. Sie belegten ihre Argumentation mit einem Brief des Sachverständigen an die Staatsanwaltschaft, in dem er sie „ermutigt, nicht locker zu lassen“ und dafür seine „fachliche Hilfe“ angeboten habe. Die Bundesrichter urteilten gestern, daß einem Angeklagten kein Sachverständiger zugemutet werden dürfe, der den Eindruck der Befangenheit erwecke.
Das Strafrecht bietet nach Auffassung von Baumann genug Möglichkeiten, Hersteller für die von ihren Produkten verursachten Schäden zu verurteilen. Weil Vorstandsmitglieder die Verantwortung für falsche Entscheidungen und Unterlassungshandlungen in ihren Firmen nicht mehr nach unten delegieren könnten, habe es in den letzten Jahren Umorganisationen in Betrieben gegeben. „Die Staatsanwaltschaft schreckt aber noch immer oft davor zurück, gegen Täter mit weißem Kragen vorzugehen.“ Im gestrigen Fall war das allerdings nicht so. Die Bundesanwaltschaft hatte Revision beantragt, weil sie den Angeklagten vorsätzliches Handeln vorwarf. Das lehnten die Richter ab.
Daß in Karlsruhe im Grunde kein Zweifel an der Gefährlichkeit von Holzschutzmitteln besteht, hatte ein Zivilsenat im Februar festgestellt: Die früher üblichen Wirkstoffe in Holzschutzmitteln schädigten „unbestritten“ die menschliche Gesundheit, hieß es in dem Urteil. Annette Jensen
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