: „Zwietracht und Streitigkeiten“
■ Die Bundesregierung rechtfertigt Ablehnung kurdischer ABM-Anträge
Bonn (taz) – In den Arbeitsämtern der Republik entscheidet ein Statement des Außenministeriums die Ablehnung von ABM-Anträgen kurdischer Vereine und Organisationen. „Aus politischen Gründen“, heißt es im Papier aus dem Jahr 1990, das erst jetzt öffentlich wurde, „hält das Auswärtige Amt an seiner Auffassung fest, daß Aktivitäten kurdischer Gruppen auf Bundesgebiet nicht mit Bundesmitteln gefördert werden sollten. ... Jede Förderung auch angeblich rein kultureller Aktivitäten durch die Bundesrepublik würde in der großen türkischen Kolonie in der Bundesrepublik Deutschland Zwietracht und interkommunitäre Streitigkeiten auslösen.“
Daß die Arbeitsämter von solch außenpolitischen Betrachtungen abhängig sind, bestätigte am Mittwoch die Bundesregierung in einer Antwort auf eine kleine parlamentarische Anfrage der Abgeordneten Angelika Beer. Das Bonner Arbeitsamt hatte abgelehnt, ein Integrationskonzepts für kurdische Jugendliche zu fördern und dies damit begründet, die türkische Regierung könnte dies „als Versuch der Einmischung in innertürkische Angelegenheiten und als Förderung separatistischer Tendenzen betrachten“ – Maßstäbe der Beurteilung, welche weder die sogenannte „ABM-Anordnung“ der Bundesregierung noch das einschlägige Arbeitsförderungsgesetz kennen, die aber auf Linie der Bundesregierung liegen: „Eine Förderung kurdischer Vereine“, beantwortet sie die Anfrage, „kann in der gegenwärtigen Situation geeignet sein, Zweifel bezüglich der Respektierung der Türkei durch die Bundesregierung aufkommen zu lassen“.
Metin Incesu, Vorsitzender des betroffenen Vereins Navend, sprach gestern gegenüber der taz von „einer Diskriminierung von 600.000 Kurden in der Bundesrepublik“. Gegen den ablehnenden Bescheid aus dem Bonner Arbeitsamt hat Navend inzwischen Widerspruch eingelegt. In Köln und im Ruhrgebiet sind kurdische Arbeitnehmervereine vor das Sozialgericht gezogen. Gleichwohl ist der Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage zu entnehmen, daß sich die Auffassung des Außenministeriums in den Behörden als offizielle Doktrin etabliert hat. Bernd Neubacher
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