■ Schöner Leben: 1A Brüster'l-Fleisch
Zu Zeiten als ich noch im schönen Bayern lebte, habe ich mich immer über die Eßgewohnheiten der Einheimischen gewundert: Saures Lüngerl, Fleischpflanzerl, Tellerfleisch. Im Laufe der Jahre gewöhnte ich mich an vieles und konnte einige der Zungenbrecher fast fehlerfrei aussprechen. Die Metzgerin Wöll im Münchner Arbeiterviertel Westend, das es trotz aller preußischen Propaganda immer noch gibt, verstand mich.
Aber ich konnte sie nicht verstehen. Woche für Woche stellte sie ein Schild in die gekachelte Auslage ihres Ladens. „1 A Brüster'l Fleisch“ bot sie darauf feil. Was für „Brüster'l“??? Ich assozierte wild und phantasierte viel, landete in Gedanken aber doch immer wieder bei zarten Hühnerbrüstchen. Woche für Woche packte mich leichter Ekel, wenn ich an dem „Brüster'l“ Schild vorbeiging. Jahre vergingen. Bis ich eines Tages sah, daß die Kauffrau zwecks Dokumentation und Unterstützung der 1 A-Qualitätsthese eine große Platte mit geräucherten Schweine-Rippen hinter das Schild stellte. Das verwirrte mich noch mehr: Wer sollte diese Schweinereien essen?
Lange habe ich nicht mehr an das Brüster'l Fleisch gedacht. Bis ich in diesen heißen Tagen vermehrt nackte Männerbrüste zu sehen bekomme. Fahre ich durch die Blocklandwiesen: Nackte Brüste kommen mir entgegen. In der Fußgängerzone: Nackte Brüste schieben sich durch die schwitzende Menge. In der Kneipe: Eine nackte Brust setzt sich an den Nebentisch. Ob die These einer Freundin stimmt, daß die Männer mit den häßlichsten Brüsten, den größten Hang zum Entblößen derselben haben, habe ich noch nicht endgültig bejaht. Aber alte Assoziationen leben auf. Doch jetzt denke ich an behaarte Hühnerbrüste und sehne mich nach Schweinerippen. Ulrike Fokken
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