■ Bosnien-Pazifismus-Debatte V
: Der schlaue Joschka

Natürlich sagen wir ja zur Gewaltanwendung. Wer überfallen wird, ruft die Polizei. Unser friedliches Miteinander baut nicht nur auf Einsicht auf. Die Minderheit der Störenfriede braucht gewaltsame Pazifierung, wenn wir nicht im Chaos versinken wollen, aus dem dann das Faustrecht wieder aufsteigt.

Warum wehren sich manche, ihre Einsicht in die Notwendigkeit des staatlichen Gewaltmonopols auf die internationale Staatengemeinschaft zu übertragen? So wie binnenstaatlich die Polizei unseren Frieden notfalls mit Gewalt sichert, sollte die weltweit immer wieder hochschießende zwischenstaatliche Gewalt von einer internationalen Polizeitruppe, also den Blauhelmen, mit der nötigen Gegengewalt beantwortet werden. Der Weltfrieden baut nicht auf der Einsicht aller auf. Störenfriede müssen auch hier mit den nötigen Machtmitteln zur Räson gebracht werden.

Daß die Deutschen sich hier schwer tun, ist verständlich. Sie tragen halt immer noch schwer an der historischen Last, daß staatliche Gewalt bei ihnen kriminelle Gewalt gewesen ist. Pazifierung von staatswegen hieß bei ihnen letztlich physische Vernichtung aller anderen, die nicht dazugehören sollten. Wer anders war, bestimmten die Inhaber des Machtmonopols. Die Zeiten haben sich aber geändert. Die Deutschen leben sicher in einem demokratischen Rechtsstaat im festen Bündnis mit den vielen demokratischen Rechtsstaaten westlicher Prägung, die weltweit den Ton angeben. Pazifisten sind darum Leute von gestern, Uneinsichtige, die endlich umdenken müssen. Glücklicherweise schreitet ihre Bekehrung voran. Selbst Friedensfreunde wie Joschka Fischer haben erkannt, daß die Deutschen sich nicht mehr genieren müssen, bei internationalen Strafexpeditionen wieder dabeizusein. Fünfzig Jahre Einsicht sind genug!

Wir glauben wieder daran, daß gerechte Kriege möglich sind, daß nur Unrechtsregime ungerechte Kriege führen. Aktionen im Namen der UNO können nur gerechte Kriege sein. Die Deutschen treten am Ende ihrer nationalen Einzelgeschichte endgültig ins Lager der Gerechten. Fortan führen wir, eingebettet in demokratische Bündnisse, nur noch gute Kriege.

Wir vergessen, daß auch die sogenannten gerechten Kriege in die menschenverachtende Grausamkeit eskalieren und alle humanitären Grenzen überschreiten. Wir glauben, daß die Toten von Auschwitz andere Tote sind als die Toten von Hiroshima. Wir vergessen, wie Amerika von demokratischen Politikern belogen worden ist, damit „gerechter“ Krieg in Vietnam möglich wurde. Wir vergessen, wie wir alle während des Golfkrieges belogen worden sind, um uns einen gerechten Krieg weiszumachen.

Wir gestehen uns nicht die Verlogenheit der westlichen Staatengemeinschaft ein, die jetzt den Krieg zwischen Kroaten und Serben bedauert, obwohl sie ihn selbst angezettelt hat. Dabei gibt es für die Deutschen aus ihrer Vergangenheit nur die einzige Konsequenz: nie wieder an einer kriegerischen Aktion beteiligt zu sein, wie immer sie deklariert wird. Die Sprachregelung der vereinigten Medienwelt wird unsere kommenden Kriege gerecht machen. Es gibt aber keinen gerechten Krieg, auch nicht im Namen der UNO. Wo innerstaatliche Polizeigewalt außer Kontrolle gerät, kann der Bürger sich wehren. Wenn kriegführende Staaten immer perfektere Mittel zu immer größerer Menschenvernichtung einsetzen, gibt es keine Einhalt gebietende Instanz, vor der die Opfer klagen könnten.

Der Balkan kann nur zur Ruhe kommen, wenn die Kriegsparteien vor Ort Frieden wollen. Ein flächendeckender Befriedungskrieg des Westens wird die Gewalt ebensowenig beenden wie die Verteidigung der Schutzzonen. Wie weit will der Westen gehen? Will er serbische Städte im Gegenzug bombardieren, wenn Schutzzonen weiter beschossen werden? Die ganze Mitbeteiligungsdebatte ist in Wahrheit keine Debatte um wirkliche Lösungen. Es ist die Debatte darüber, endlich als Deutsche auszutreten aus der Sonderrolle, die uns unsere Vergangenheit auferlegt. Wir wollen uns endlich in allem so benehmen wie die anderen. Soldaten dorthin schicken, wo die anderen sind, und nur soviel humanitäre Hilfe leisten, wie die anderen auch. Nicht mehr und nicht weniger! Halt normal sein. Der schlaue Joschka hat das begriffen. Horst-Werner Franke Senator a.D.