Like a rollin' Stone

■ Im Olympiastadion werden vor dem Stones-Konzert lose Steinquader herausgebrochen / Bass-Rhythmen simuliert

Beim Konzert der Rolling Stones wird das baufällige Olympiastadion wackeln, zusammenstürzen wird es aber (noch) nicht. Damit am 17. August die 80.000 „Voodoo Lounge“-Fans die Nacht nicht mit Bauhelmen auf dem Kopf durchrocken müssen, will die Senatsbauverwaltung lose Beton- und Steinbrocken an der bröckelnden Tribüne herausbrechen. „Nach Schwingungsmessungen müssen rund 100 Steinquader abgenommen werden“, sagte gestern Ulrich Stange, Baudirektor in der Bauverwaltung, zur taz. So werde „gesichert“, daß die Rock 'n' Roller nicht durch herabfallende Brocken oder verrottete Verschalungen erschlagen werden könnten.

Im Vorfeld des Stones-Meetings, sagte Stange, seien Untersuchungen an der Muschelkalkfassade des Stadions durchgeführt worden. „Getestet wurden die Schwingungen der Quader bei lauten Rhythmen.“ Die bei Rockkonzerten auftretenden tiefen Frequenzen „unter 50 Hertz“ hätten Akustikexperten „nachsimuliert und gesondert gemessen“. Alle untersuchten Schwingungsbereiche, so Stange, hätten im gefahrlosen Bereich gelegen. Dennoch habe man entschieden, das Olympiastadion erst nach der Entfernung der Steine für die Stones „freizugeben“.

Nach Ansicht von Stange reichen „Sicherungsmaßnahmen“ längst nicht mehr aus, die Schäden an den Fassaden und Tribünen des zur Nazi-Olympiade 1936 errichteten Stadions zu beheben. Vielmehr sei es dringend erforderlich, nach einer Bestandsanalyse der Schäden ein „Sanierungs- und Modernisierungskonzept“ zu entwickeln. Stange: „Das Stadion verfällt in Potenz.“

Das Land Berlin zahlt derzeit bis zu 4,5 Millionen Mark jährlich für Reparaturen der Arena. Vor jeder Veranstaltung, so der zuständige Leiter der Charlottenburger Bauaufsicht, Knittel, würden besonders heikle Punkte der Konstruktion begutachtet. Knittel: „Es macht nicht peng, und alles fällt zusammen, aber wenn nichts geschieht, ist die Betriebssicherheit längerfristig gefährdet.“ Eine Schließung der Sportstätte 1996 wollte Knittel nicht ausschließen.

Hintergrund für den mangelhaften Unterhalt und den Verfall des Stadions bildet das Gezänk zwischen dem Bund und dem Senat über die Finanzierung einer 300 Millionen Mark teuren Sanierung. Das Land Berlin hatte das Olympiastadion 1994 per „Überlassungsvertrag“ vom Bund zwar erworben, zu einem Vertragsabschluß ist es aber bis heute nicht gekommen. Während der Bund für das Maifeld-Gelände 200 Mark pro Quadratmeter haben will, fordert Berlin die kostenlose Übereignung und eine Beteiligung Bonns an der Sanierung. Angesichts des Zustandes der einzigen Berliner Großsportarena erklärte Eberhard Diepgen das Olympiastadion gestern zur „Chefsache“. Eine Arbeitsgruppe des Senats soll noch im September über die Zukunft des Stadions beraten. Rolf Lautenschläger