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Gabriele und Monika verzweifelt gesucht

■ Bremer Student sammelt Schreibmaschinen - eine private Hilfsaktion für Sierra Leone

Was macht man in Sierra Leone mit 18 ausgedienten Schreibmaschinen, die vor wenigen Tagen, in einen Rettungswagen gestopft, auf die Reise in die Hauptstadt des westafrikanischen Landes nach Freetown gingen?

Der Bremer Student Swen Mallschützke kann die Frage beantworten: Mit den Schreibmaschinen können blinde Menschen in Sierra Leone Schreibaufträge annehmen und, was üblich ist, ein eigenes kleines „business“ am Straßenrand aufzubauen. Damit haben die Menschen, die ansonsten auf Bettelerträge angewiesen wären, im ökonomisch wie politisch krisengeschüttelten Sierra Leone eine Chance zu überleben.

Auf die Idee kam Swen Mallschützke nach einem Workshop in der nahe Freetown gelegenen Milton Margai Blindenschule. Fünf Wochen arbeitete der zukünftige Wirtschaftswissenschaftler gemeinsam mit 15 weiteren TeilnehmerInnen aus England, Deutschland und Sierra Leone in der Schule. Als freiwillige HelferInnen reinigten und renovierten sie die Gebäude und legten einen Selbstversorgergarten an.

60 blinde oder stark sehgeschächte Kinder leben in der 1982 von der Christoffel Blindenmission gestifteten Schule. Die SchülerInnen im Alter zwischen 5 und 17 Jahren lernen hier lesen und schreiben, die Kleineren mit dem Braille-Gerät, bei dem Punkte ins Papier gedrückt werden, die Älteren üben auf Schreibmaschinen. Einige der SchulabgängerInnen haben die auf die Weise die Grundlage gelegt für spätere Ausbildungen. Sie wurden LehrerInnen, eine Schülerin konnte sogar promovieren.

Doch vielen fehlt dazu das Geld. Einigen geht es wie dem kleinen Manuale, der von den Eltern in der Schule abgegeben wurde, ohne daß diese sich noch einmal um ihn kümmerten. Ein großer Teil der blinden Kinder, deren Zahl in Sierra Leone auf bis zu 15.000 geschätzt wird, lebt auf der Straße. Insofern haben die SchülerInnen Glück, doch auch sie sind spätestens mit 18 Jahren auf sich allein gestellt. Da können ihnen die Schreibmaschinen eine große Hilfe sein.

Das Überleben der Schule hängt mangels Subventionen von stets abnehmenden Spendengeldern ab. Auch die Workcamps, die bereits über mehrere Jahre laufen, drohen an den bürgerkriegsähnlichen Zuständen im Land zu scheitern. Das in diesem Sommer geplante Camp mußte bereits abgesagt werden – eine Katastrophe für die Schule. Passiert das öfter, können sie die anfallenden Arbeiten nicht mehr allein bewältigen.

Swen Mallschützke, wieder zu Hause angekommen, machte sich daher Gedanken, wie er den SchülerInnen weiter helfen kann. Die internationalen Studentenorganisation AISEC, bei der Swen mitarbeitet, reagierte schnell auf die Idee, Schreibmaschinen, Cassettenrecorder und Büromaterial für die Blindenschule zu sammeln. Etwa 20 MitarbeiterInnen der AISEC sind mittlerweile damit beschäftigt, die Kontakte zu erweitern, Firmen und Privatpersonen anzuschreiben. Der erste Transport, den Swen mit dem von einem Dortmunder Verein gesponserten Transfer eines Rettungswagens verbinden konnte, startete vor wenigen Tagen.

Als Swen Mallschützke im vergangenen August das erste Mal afrikanischen Boden betrat, war das für ihn wie eine „Rückkehr zum Ursprung“. Swen Mallschützke ist Afrodeutscher, was ihm das Leben im Worccamp nicht gerade erleichterte: Weiße wie Schwarze betrachteten ihn als einen der ihren, gleichzeitig war er „der andere“ Westeuropäer. „Man steht immer zwischen den Stühlen“, faßt Swen seine Erfahrungen zusammen.

Daß er nach Afrika zurückkehrt, ist für den Studenten, inzwischen zum Teamer für Workshops avanciert, ganz sicher. Ende August fährt er nach Burkina Faso, wo ein Bremer Pater mit Unterstützung der hiesigen St. Johannisschule ein Projekt gegen die zunehmende Versteppung des Landes betreut. Im Niger versucht er ebenfalls, für ein ökologisches Projekt einen Kooperationspartner zu finden. Die Aktion für Sierra Leone soll gleichzeitig fortgeführt werden. Wer Cassettenrecorder, Büromaterial oder Schreibmaschinen spenden will, kann Swen Mallschützke unter Tel.: 326963 erreichen. dah

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