: Meine schönste Palastgeschichte
■ betr.: „Kein Schandmal, sondern Volkspalast“, taz vom 4. 8. 95
Anfang der achtziger Jahre besuchte mich eine Freundin aus der bundesdeutchen Friedensbewegung. Sie interessierte sich für den „Ballast der Republik“ und wollte ihn gern von innen sehen.
Nachdem wir eine Treppe hochgegangen waren, sprach mich ein Herr mit grauem Anzug an, sagte etwas von „Fahndungskontrolle“ und wollte meinen Ausweis sehen. Er verglich scheinbar etwas in einer Liste. Dann durften wir weitergehen. Eine Treppe höher: Ein anderer Herr, dieselbe Frage. Nachdem ich ihn darauf hinwies, daß sein Kollege mich schon kontrolliert hätte, durften wir unseren Weg wiederum fortsetzen. Oben angekommen, holten wir uns an einem Büfett Kaffe und Kuchen und setzten uns. An einem Nachbartisch saßen fünf Herren in dunklen Anzügen und tranken Kaffee. Weitere Gäste waren zu dieser Vormittagsstunde nicht dort. Kaum saßen wir, erhob sich einer aus der Gruppe und kam an unseren Tisch. Er wollte unsere Ausweise sehen. Als der den bundesdeutschen Paß sah, schaute er gar nicht hinein. Bei meinem verweilte er länger. Dann fragte er, ob ich wisse, daß ich gegen die Hausordnung verstoßen hätte. Als ich dies verneinte, erklärte er, daß es da eine Passage über „unerwünschte Kleidungsstücke“ gäbe. Langsam dämmerte es mir. Ich spitzte das Problem zu, indem ich fragte, ob ich richtig verstanden hätte, daß ich hier mit völlig abgerissenen Jeans sitzen könnte, nicht aber mit dem „Schwerter zu Pflugscharen“- Aufnäher an meiner Jacke. Er bejahte und bat mich, den Palast zu verlassen. Ich fragte, ob wir noch Kaffee und Kuchen zu Ende verzehren dürften, was er großzügig gestattete. Danach verabschiedeten wir uns freundlich von den „grauen Herren“ und verließen den „Palast der Republik“. Ich nahm mir vor, ihn nie wieder zu betreten, was ich – zumindest einige Jahre – auch durchhielt.
Ich bin nicht für einen Abriß, aber ich dachte, ein kleines Korrektiv könnte dem „Jubelartikel“ doch gut tun. Ein Bild kann ich leider nicht mitschicken. Die „grauen Herren“ hätten – fürchte ich – leider auch wenig Verständnis dafür gehabt, wenn ich sie abgelichtet hätte. Markus Strobl,
Glienicke/Nordb.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen