„Eiskalte Maschinerie, so wie es jetzt läuft“

■ Der frühere bayerische Minister August Lang gesteht Fehler bei der Änderung des Asylrechts ein. Von einem Rechtsschutz für Flüchtlinge könne heute keine Rede mehr sein

taz: Herr Lang, Ihre Partei hat die Änderung des Asylrechts am lautesten gefordert. Heute nennen Sie die Regelung unmenschlich. Woher kommt die neue Einsicht?

August Lang: Ich hätte bei der Gesetzesänderung besser aufpassen sollen. Aber ich habe nicht damit gerechnet, daß die Maschinerie so eiskalt läuft, wie ich es jetzt erlebt habe.

Man muß sich das mal vorstellen: Der Vater von Darko ist in Kroatien gestorben, die Mutter ist wahrscheinlich auch schon tot. Nun stellt der Junge einen Asylantrag und will bei seinen Verwandten bleiben, die seit dreißig Jahren bei uns leben. Doch der Antrag wird abgelehnt, und alle Rechtsmittel gegen die Ablehnung nützen nichts. Das Verwaltungsgericht lehnt ihre aufschiebende Wirkung ab, das Amtsgericht erklärt die Abschiebung für sofort vollstreckbar.

Wie eine EDV-Maschine lief das Ganze ab. Und am Schluß hört man dann: „Der kann ja sein Verfahren vom Ausland aus weiterbetreiben“ – obwohl wir seit seiner Abschiebung nach Kroatien am 9. Juli nicht mal wissen, ob er noch lebt. Man muß sich die Denkhaltung dieser Leute mal vorstellen: vollkommen zynisch.

Aber dieser Ablauf ist doch typisch – und ein Ergebnis des neuen Asylrechts.

Natürlich. Aber wenn man das so macht, dann braucht man eigentlich überhaupt kein Verfahren mehr. Wenn ein Asylverfahren im Vollzug abläuft wie ein Automat, braucht man keinen Richter mehr.

Doch dieser „Automat“ war Ihnen als Jurist ja bekannt. Sie wollten doch mit dem neuen Asylrecht einen solchen „Automaten“ installieren.

Meine Meinung zum neuen Asylrecht hat sich in dem Verfahren jetzt geändert. Rechtsschutz wird ja zur Farce, wenn man ein Verfahren so betreibt wie dieses. Meine Enttäuschung ist, daß unter dem Vorwand „Es muß alles schneller gehen“ die Verfahren völlig abgeblockt werden.

War die Änderung des Grundgesetzes ein Fehler?

Wir wollten damals raschere Abschiebungen. Aber dabei muß auch die Rechtsstaatlichkeit gewahrt bleiben. Ich will zwar nicht von einem Fehler reden – doch das Verfahren, wie es im Alltag praktiziert wird, ist ein Problem. Denn es läuft wie eine Vollstreckungsmaschine: Antrag, weg mit dem Asylbewerber, aus. Doch ein Richter und ein Automat sind zwei verschiedene Dinge – und eine Partei, die das „C“ im Namen trägt, darf nicht vergessen, was Menschenwürde und Humanität bedeuten.

Welchen Rat würden Sie denn den Ministern Beckstein und Kanther geben? Gesetzesänderungen?

Ich denke, ein Richter muß die Möglichkeit haben, zu prüfen, wohin er einen Asylbewerber schickt. Wenn ihm schon mitgeteilt wird, daß dessen Haus mitten im Kriegsgebiet liegt und völlig zerstört ist, dann muß er die Möglichkeit haben, zu sagen: Unter diesen Umständen nicht. Eine solche Prüfung muß sein. Und wir müssen darüber nachdenken, wie man das Verfahren ändert. Interview: Felix Berth