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Beim Treffen mit Assad fallen die Früchte

Während mann die erste syrische Weltmeisterin Ghada Shouaa zu Hause beschenkt und umjubelt, wird der Erfolg der Algerierin Hassiba Boulmerka daheim ambivalent aufgenommen  ■ Aus Göteborg Peter Unfried

Was werden bloß die Leute zu Hause in Hama, ein paar hundert Kilometer entfernt von Damaskus, sagen, wenn Ghada Shouaa demnächst im Weltmeisterinnen- Daimler einbrausen wird? „Es wird sie anspornen“, sagt Shouaa, „auch Leichtathletik zu betreiben.“ Und hat sie denn überhaupt einen Führerschein? Klar hat sie einen, und einen Peugeot 504 dazu, den ihr Präsident Assad, nebst einem Haus, hat persönlich zukommen lassen für besondere Verdienste. An Siegerinnen aus der Karibik hat sich die Welt längst routiniert gewöhnt, von denen aus Osteuropa will sie nach wie vor nichts wissen. Rätselhaft und fremd aber sind Top-Athletinnen wie die Algerierin Hassiba Boulmerka, die Weltmeisterin über 1.500 Meter, und eben Shouaa.

Dürfen, sollen, müssen sie? Von Boulmerka (27) heißt es, sie sei aus dem Athletendorf unbekannt verzogen, nachdem Fundamentalisten wieder Drohungen hatten überbringen lassen. Die erste Afrikanerin, die (in Tokio '91) WM- Gold gewann, ist zu Hause ein Politikum, doch will sie darüber nicht mehr reden. Wer das möchte, solle „zum Botschafter nach Stockholm gehen“. Als sie im Sponsorendorf ihre Hände in Gips verewigt, ist sie eingerahmt von Begleitern. Sie lacht viel und redet gern. Über ihren Sieg. Nicht über Probleme. Alles, was sie dazu sagt: „Ich bin eine Frau, ich bin Algerierin, ich bin Muslimin, ich mache Sport und muß versuchen, mit diesem Druck fertig zu werden.“

Shouaa (23), eins von fünf Kindern eines Ingenieurs, ist orthodoxe Christin, doch das, sagt sie, sei auch kein Thema. Thema ist, daß sie als erste Syrerin überhaupt irgendwo zur Besten der Welt gekürt worden ist. Die sehr ernste junge Frau sagt: „Sport ist für alle“, und es sei für Syrerinnen „kein Problem, irgendeinen Sport zu machen.“ Nun hat Boulmerka mit der Regierung auch keinen Ärger, im Gegenteil, nur mit den Hardlinern. Erst wenn Noureddine Morceli am Sonntag die 1.500 Meter gewinnt, ist deren Welt einigermaßen im Lot.

Syrien hat keinen Morceli. Vielleicht ist das der Grund, warum Shouaa, die in Damaskus in einer Zehnergruppe trainiert, eine Art oberster Staatsprofi ist. Mit dem russischen Ex-Diskuswerfer Kim Bukantschwow hat sie einen Trainer bekommen, mit dessen Hilfe sie sich binnen eines Jahres um über 500 Punkte gesteigert hat. Wie, weiß man nicht, zumal Coach und Athletin nur mit Hilfe eines allgegenwärtigen Dolmetschers kommunizieren können. Shouaa sagt, Siebenkampf sei das, wofür sie Talent habe, weshalb sie einen Schwenk ins syrische Basketballteam 1991 eilig rückgängig machte. In Göteborg kam sie nicht an ihre Bestleistung von Götzis (6.715) heran, mit der sie Ende Mai in die Weltspitze vorgedrungen war. Doch ist es im windanfälligen Ullevi mindestens so schwer, 6.651 Punkte zu machen, wie gegen den Hochsprungständer zu fallen (Sabine Braun) oder sich ins Sprunggelenk zu treten (Heike Drechsler). Und was die Titelverteidigerin Joyner-Kersee betrifft, so ist sie genau deshalb abgereist, weil sie es eben gewiß nicht vermochte.

Shouaa war, bis auf einen chancenlosen 800 m-Läufer, Syriens WM-Team. Und auch in Atlanta wird sie noch allein für Großes zuständig sein. „In zwei, drei Jahren“, schätzt aber Rajaa Doughoz, Generalsekretärin des syrischen Verbandes, „sind vielleicht noch ein paar soweit.“ Auch in Algerien, glaubt Boulmerka, „wird eine Gruppe junger Athletinnen in drei, vier Jahren nachrücken“. Das mag etwas optimistisch geschätzt sein. Erfolge jedenfalls stellen sich nicht mehr nur, wie im Fall Maria Machados (Mosambik), durch Stipendien an US-Unis ein, sondern an bislang unbekannten Orten und zumeist dann, wenn die Verbände ihr Geld nicht, wie in Deutschland noch üblich, flächendeckend streuen, sondern für osteuropäische Ausbildungs-Experten und in wenigen Disziplinen bündeln.

„Wo gesät wird“, sagt hierzu Boulmerka, „fallen Früchte.“ Das ist wahr, und deshalb ist es für die begeisterte Syrerin Ghada Shouaa, die als sportliches Vorbild den reitenden Sohn Assads angibt, jetzt „das Wichtigste“, schleunigst dessen Vater zu treffen. Der, sagt sie, habe für den Erfolgsfall bereits vor der WM einiges in Aussicht gestellt. Das Volk mag den Erfolg auch: Nach dem Sieg bei den Asienspielen, hat die Verbands- Generalsekretärin wissen lassen, sei die Heimfahrt von Damaskus durch ein 200 Kilometer langes Spalier erfolgt. Wenn Hassiba Boulmerka demnächst mit dem deutschen Gefährt durch Algier brummen wird, werden dagegen nicht alle jubeln.

Tut sie das überhaupt? Das hat man wissen wollen, als sie im Sponsorendorf ihr Auto und die Presse sie begutachten durfte. „Wo denn sonst, durch Bangkok?“ war die genervte Antwort, „es gibt in Algier viele Mercedesse. Ich reihe mich da jetzt ein.“

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