Sanssouci
: Nachschlag

■ Kifferhumor jetzt für alle: Helge Schneider am Weißen See

Seit sechs Jahren, zwei eher mißlungenen Filmen, einem Krimi, diversen Talk-Shows und vor allem seit „Katzeklo“ sorgt die „singende Herrentorte“ aus Mülheim für ausverkaufte Bühnen. Das Erstaunlichste daran ist, daß mit Helge Schneider ein assoziations- und surrealismenreicher Kifferhumor mehrheitsfähig geworden zu sein scheint, der holzhammermäßig auf den blödesten Pointen beharrt und sich in wilden Ideenfluchten verliert, die immer wieder plötzlich abbrechen, als hätte der Entertainer die Anschlüsse vergessen.

Tausende jubeln dem zu, der sich ständig bemüht, so zu wirken, als sei sein Ruhm eigentlich ein Mißverständnis. Begeistert klatschen die Leute mit, wenn es heißt: „Richtig, richtig verpiß dich – das ist ein schönes Lied“; Frohsinn bricht aus, wenn es in seinen Splattergeschichten heiter ums Augenausreißen („Plop“), Hautabziehen, oder ums Zerfleischtwerden geht. „Die Welt ist ganz verhext. Sie bereitet mir ein ganz verhextes Bild.“ Helges Erfolg läßt vermuten, daß die Kiffer-Vorstellung einer (immer „irgendwie“) verhexten Welt, deren Bestandteile nur noch sehr lose mit den individuellen Lebenspraxen verbunden sind, zum Allgemeingut geworden ist. Wie auch die Vorstellung, daß Worte auf nichts anderes verweisen als auf sprachliche Wirklichkeiten; daß die performative Funktion der Sprache wichtiger ist als ihr Zusammenhang mit einer chaotischen Welt usw. Eigentlich ist der ganze Komiker, wie die Nebelmaschine, die er immer wieder an unpassend-passenden Stellen betätigt, Zitat seiner eigenen Erfindung.

Auch wenn die letzte halbe Stunde für manches entschädigte, waren die meisten Fans enttäuscht von seinem Auftritt. Die früher endlosen, durchgedrehten Erzählpassagen, mit denen Helge Schneider bei früheren Auftritten begeistert hatte, waren eher kurz geraten. Auch fehlt es der Freilichtbühne Weißensee an der Intimität, die man braucht, um losgelöst zwei Stunden lang zu kichern. Eher ließ er, als daß er's selber tat, „Katzeklo“ singen. Während der Komiker „seine Frau mit einer Grimasse überraschen wollte, die er sich im Büro ausgedacht hatte“, und sehr charmant die Kompliziertheiten der Liebe thematisierte – „zwar sind wir schon nackt, doch erst mal müssen wir essen und dann das Gespräch“ –, wollte sein Publikum am liebsten nur schunkeln. Irgendwann mahnte Helge Schneider: „Ihr müßt eure Stimme schonen, weil ihr ja morgen auf der Arbeit wieder angeschrien werdet, und da müßt ihr zurückschreien!“ Detlef Kuhlbrodt

Helge Schneider und Orchester, heute und morgen, 19 Uhr, Freilichtbühne Weißensee, Große Seestraße 9–10