Gesucht: Arzt für Obdachlose

■ „Das ist ein gesellschaftlicher Skandal“: Keine Notpraxis für Obdachlose in Bremen / BEK und Innere Mission zahlen aus eigener Tasche

Eiternde Abszesse, offene Wunden, Frostbeulen – Erkrankungen mit denen die meisten Menschen in westeuropäischen Ländern kaum zu kämpfen haben. Obdachlose hingegen leiden häufig darunter: Der Dreck der Straße setzt sich schnell in kleine Wunden und entzündet die anfangs oft harmlosen Stellen.

Doch wo sollen die nur theoretisch krankenversicherten Menschen hingehen? ÄrztInnen könnten sie behandeln, müssen sich aber hinterher mit dem Sozialamt herumschlagen. Auch die Scham vor der eigenen Verwarlosung hindert die ohne Dusche oder Waschmaschine lebenden Menschen daran, die reinlichen Praxen zu betreten. „Obdachlose fühlen sich oft nicht wartezimmerfähig“, hat Peter Bick, Sprecher der Bremisch Evangekischen Kirche (BEK), beobachtet. Folge: Obdachlose verschleppen Krankheiten, leiden dann unter noch schlimmeren Folgeerkrankungen wie Blutvergiftung

„Das ist ein gesellschaftspolitischer Skandal“, meint Pastor Bick. Zusammen mit der Inneren Mission und dem Hauptgesundheitsamt will die BEK daher eine medizinische Notversorgung für Obdachlose einrichten. Im Jakobushaus am Hauptbahnhof haben sie einen Raum gefunden. Dort, zwischen dem Saal für die „Winterübernachtung“ und der Cafeteria, sollen die rund 300 obdachlosen Männer und Frauen in Bremen einen Arzt finden können. Möglichst nicht im weißen Kittel. „Wichtig ist, daß es ein niedrigschwelliges Angebot ist“, sagt Bertold Reetz, verantwortlich für die Betreuung von Obdachlosen im Jakobushaus der BEK.

Soweit sind sich Innere Mission, Kirche und Hauptgesundheitsamt einig. Doch wie auch bei anderen sozialen Projekten, fehlt das Geld. Bis Ende Dezember brauchen die Initiatoren 40.000 Mark, um einen Arzt oder eine Ärztin das kommende Jahr bezahlen zu können. Zweimal die Woche soll die medizinische Notversorgung für zwei oder drei Stunden geöffnet sein. Im September wollen die Bremer PastorInnen dafür eine Kollekte veranstalten. Doch die Kirchengroschen werden nicht reichen. Die BEK will daher Krankenkassen, Wirtschaftsunternehmen und Organisationen ansprechen. „Obdachlosigkeit ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, das ist nicht nur Sache der Kirche“, meint Reetz. „Alle gesellschaftlichen Institutionen müssen finanziell beitragen“.

„Wir würden ja gern, aber die Zeiten sind nicht danach“, winkt Jochen Eckertz, Sprecher der Sozialbehörde, ab. Die Behörde müsse sparen, wo immer es gehe. Die medizinische Versorgung von Obdachlosen sei zwar ein Problem, aber ohne Krankheitsschutz sei keiner: Das Sozialamt bezahlt die Arztrechnungen. „Obdachlose kommen allerdings nur zufällig in Krankenhäuser oder Praxen“, weiß auch Eckertz.

Dann allerdings sind die Menschen so krank, daß sie gleich länger dort bleiben müssen: Tuberkulose, Lungenentzündung oder Magenschleimhautentzündungen fesseln sie ans Bett. „Mangelkrankheiten“, sagt Kurt Huuk, langjähriger Leiter des BEK-Sozialzentrums. Zusammen mit 100 MitarbeiterInnen betreut er 71 ehemalige Obdachlose im Übergangswohnheim Jakobushaus. Zu den üblichen Krankheiten kämen bei den meisten BewohnerInnen psychische Probleme, Alkoholismus oder Tablettenabhängigkeit. „Die Schnittmengen zwischen den Problemgruppen wird immer größer“, pflichtet ihm sein Kollege Reetz bei. „Untätigkeit kann sich eine Gesellschaft wie hier in Bremen nicht länger leisten“.

Die BEK bittet dringend um Spenden für die medizinische Notversorgung von Obdachlosen. Verein für Innere Mission in Bremen, Sparkasse in Bremen, BLZ 29050101, Konto-Nummer: 1077700, Stichwort: Medizinische Hilfe

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