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Nischt wie raus zum Wannsee

■ Das Strandbad Wannsee wurde vor 90 Jahren gebaut. Zille: "In der Badewanne lernt man nicht schwimmen, darum ins Freibad". Oase für die Berliner ist heute Baustelle

Seit 90 Jahren steht das Strandbad Wannsee synonym für die Berliner Badehosen: dickleibig, gestreift, nackig, tiefbraun, geköpfert, abgesoffen und vertont. Es wurde und wird geschwommen, was das Zeug hält, Wasserleichen trieben und treiben von dort aus die Havel hinunter, was den Kinderstar Conny Froboess niemals daran hinderte zu singen: „Pack die Badehose ein, nimm dein kleines Schwesterlein, und dann nischt wie raus zum Wannsee!“ – eine Aufforderung, der bis heute die Wasserratten in der Stadt mit Wonne folgen.

Als 1905 mit dem Bau der Anlage begonnen wurde und 1907 das Freibad als erstes Strandbad Berlins eingeweiht wurde, ahnte wohl noch niemand, daß es dereinst das größte in Europa sein würde. Die schon früher vorhandenen Flußbadeanstalten waren wegen der schlechten Wasserqualität in Verruf geraten.

Heftige und zermürbende Kleingefechte gab es am Wannsee aber zunächst zwischen jenen, die sauberes Wasser und frische Luft genießen wollten, und den gestrengen Wächtern von Sitte und Anstand. Stundenlang machten die Gendarmen am Ufer auf unbotmäßig – oder gar nicht – bekleidete Anhänger der neuen Badekultur Jagd.

Heinrich Zille wußte, auf wessen Seite er sich schlug: „Wenn man auch gleich nach der Geburt in die Badewanne gesteckt wird, so muß doch das junge Menschenkind baldigst mit Wasser, Luft und Sonne, den Lebenselementen vertraut gemacht werden... – hinaus ins Freie, in die Weite, in die Gefahren – in der Badewanne lernt man nicht schwimmen“, schrieb der Akademie-Professor zu seiner Serie von Zeichnungen „Rund ums Freibad“.

Erst mit der staatlichen Billigung des Badevergnügens spielte sich das „wannseatische“ Leben in geordneten Bahnen ab. Zwar wurden der Moral wegen „Männlein, Weiblein und Familien sortiert, um alle ein Zaun gezogen, Zelte fürs Umkleiden bereitgestellt“, ist zu lesen. Die amtlich zulässige Badebekleidung hatte wie folgt auszusehen: für Männer eine „die Oberschenkel zur Hälfte bedeckende, nicht dreieckige Badehose“, für Frauen ein „Badeanzug, Schultern, Brust, Leib und die Beine bis zum Kniegelenk bedeckend“. Allerdings wird von vielen Verstößen gegen diese Vorschriften berichtet.

Seine erste große Blütezeit erlebte der Wannsee in den 20er Jahren, als die jährliche Besucherzahl sich der Million näherte. Das Bad wurde im großen Stil zum Volksbad ausgebaut. Im Winter lockten eigens angelegte Eislaufbahnen zur Bewegung an frischer Luft.

Nach dem Mauerbau war es für die Westberliner zu einer der wenigen nassen Oasen auf der Insel geworden, seit dem Fall der Mauer wieder ein Stück mehr Badevergnügen für alle Berliner. Daß 1993 „nur“ 114.000 zahlende Besucher in den „Berliner Lido“ kamen, lag am kühlen Sommer, aber auch daran, daß die Bauarbeiten im Bad sich immer länger hinziehen. Ganze Blöcke sind bis auf das Skelett entkernt. Ursprüngliche Pläne, das Bad wegen Bauarbeiten 1995 und 96 nicht zu öffnen, wurden verworfen. ADN/taz

Zum Wannseebad ist auch ein Buch erschienen: Dieter und Günter Matthes „...und dann nichts wie raus zum Wannsee – Freibad Wannsee gestern und heute“, Haude & Spener, 19,80 DM.

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