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Leo Kirchs Kulturkampf um die „Welt“ geht weiter

■ Kruzifix-Krise bei Springer: Großaktionär beharrt auf Ablösung des Chefredakteurs

Berlin (dpa/taz) – Die Auseinandersetzung schien bereits ausgestanden. In ihrer gestrigen Ausgabe frohlockte die Welt in eigener Sache: „Der Axel Springer Verlag hat sich vor den Chefredakteur gestellt.“ Die Freude kam womöglich zu früh, denn gestern nachmittag erneuerte der Großaktionär Leo Kirch seine Forderung nach Ablösung von Thomas Löffelholz (62), der das publizistische Flagschiff des Hauses Springer seit gut einem Jahr steuert. Kirch hält 35 Prozent und eine Aktie an dem Unternehmen. Den Rauswurf des Chefredakteurs hatte er am Freitag angemahnt, nachdem er in der Welt einen Kommentar des konservativen Juristen Rudolf Wassermann zum Kruzifix-Urteil des Bundesverfassungsgerichts gelesen hatte. Darin hatte dieser dem Richterspruch entsprechend gefordert, „staatliche Schulen von christlichen Symbolen freizuhalten“. Für den frommen Kirch war diese Position „indiskutabel“ und, wie er umgehend die Spitze des Springer-Konzerns wissen ließ, eine „Mißachtung der Grundpositionen“ des Verlages. Die Antwort des Aufsichtsratsvorsitzenden Bernhard Servatius und des Vorstandschefs Jürgen Richter kam ebenso prompt wie unmißverständlich. „Vorstand und Aufsichtsrat“, ließen die beiden Kirch noch in der Nacht zum Samstag wissen, „sehen keine Veranlassung für die Ablösung des Chefredakteurs Dr. Thomas Löffelholz.“

Gestern nun ließ Kirch erklären, er bestehe weiter auf seiner Forderung. Welche Konsequenzen das Festhalten hat, darüber schwieg er sich allerdings aus. Eine Sprecherin des Verlages befand denn auch auf Anfrage der taz, daß „aus unserer Sicht die Sache erledigt ist“.

Unabhängig davon, wie Kirch die Sache erledigen will: Einen Erfolg kann er schon verbuchen. Durch die Intervention des Großaktionärs sieht sich die Welt, unter Löffelholz um ein etwas liberaleres Image bemüht, wieder in ihr altes stockkonservatives Fahrwasser gezogen. dr Seite 3

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