: Abstimmung mit kleinen Fäusten
■ Im Gespräch: MitarbeiterInnen des Kulturbahnhofs Vegesack über die Kids und ihr Qualitätsbewußtsein
Seit 1990 wird der Kulturbahnhof in Bremen-Vegesack bespielt. Bis September diesen Jahres soll aus der improvisierten Spielstätte ein funktionierender Veranstaltungsort werden. Doch mit welchem Profil? Jürgen Meierkurd, 1. Vorsitzender des Kulturbahnhofs-Vereins, und Sabine Gedenk, Kunstpädagogin und Schriftführerin des Vereins, geben Auskunft über Wunsch und Wirklichkeit im Kulturbahnhof.
taz: Die Generalprobe von „Hallo, Eddy!“ wurde stellenweise von den Aktivitäten der Kids im Publikum massiv gestört. Mitten im Stück holten Mütter dann lautstark ihre Kinder heim. Die Veranstalter beklagen sich über Diebstähle und eingeworfene Fensterscheiben. In der letzten Veranstaltungsreihe des Bahnhofs wurde die ganze Musikanlage geklaut. Nach den gestrigen Ereignissen soll es Gespräche geben zwischen Sozialarbeitern und Kulturschaffenden. Was stimmt nicht: der Standort oder das Konzept des Kulturbahnhofs?
Sabine Gedenk:Kaum haben wir die Tür einen Spalt geöffnet, kamen die Kids rein und haben sich wie kleine Ratten unter den Podesten versteckt. Mit den allermeisten von ihnen läßt sich aber gut reden. Es sind bloß zwei Familien, die die anderen mit reinziehen. In diesem Fall war aber wohl die Reaktion der Kids ein Pegel für die Qualität der Aufführung.
Jürgen Meierkurd: Das Stück hat Längen, ein Plot ist nicht erkennbar. Als die Initiatoren uns “Hallo, Eddy!“ vorgestellt haben, stellte ich mir etwas anderes darunter vor. Was das Konzept des Kulturbahnhofs betrifft: Hier sollen vor allem „hochkulturelle“ Projekte stattfinden und nur ab und zu mal eines mit Breitenwirkung und Einbindung der Anwohner.
Reagieren die allergisch auf Kultur?
Jürgen Meierkurd: Diebstähle und der Einbruch in den Kulturbahnhof hatten nichts mit dem Kunstprojekt zu tun. Auch das „Muddy's“ (Musikkneipe im Bahnhof Vegesack, Red.) hat darunter zu leiden.
Sabine Gedenk: Ich glaube, daß sich die Probleme mit den Kids lösen werden. Ich habe schon in mehreren Projekten erfolgreich mit ihnen gearbeitet. Meine persönliche Meinung: Wenn auf der Bühne Qualität passiert, hören die Kids auch zu.
Ihr Wort in Gottes Ohr. Aber derzeit passiert hier anscheinend weder Qualität noch Quantität. Ist der Kulturbahnhof der einzige kulturelle Windstoß in der Grohner Steinwüste?
Sabine Gedenk: Es gibt auch ein Spielhaus und einen Jugendclub. Aber offenbar kann die Sozialarbeit es nicht mehr leisten, die Kids unter Kontrolle zu halten.
Fragen: Alexander Musik
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