piwik no script img

Über allem schwebt die Kobra

■ Heute wollen die Stones "neue Maßstäbe" setzen - mit dem Bühnenaufbau

Wenn heute abend aus den Nasenlöchern der 30 Tonnen schweren Kobra Flammen lodern, wird der Höhepunkt des Rolling- Stones-Konzerts erreicht sein. Die Schlange aus Aluminium schwebt über einer Bühne, die „neue Maßstäbe im Rock-'n'-Roll-Business“ setzen soll – so wird der Stahlbau zumindest von der Stones-Plattenfirma Virgin gefeiert.

Gestern waren die Bühnenarbeiter noch schwer am Ackern, um alles termingerecht fertigzubekommen: Hämmer hallen durch das leere Rund des Olympiastadions, und eiserne Stangen werden scheppernd auf die Bühne gehievt. An zwei halbrunden Stahlgerüsten werden Boxentürme hochgezogen. Sie sind an den beiden Enden der Bühne aufgebaut und sollen als „optische Eckpunkte“ dienen. Überragt wird das Ganze von der künstlichen Kobra, deren glitzernde Haut man noch nicht fertig präpariert hat. Auch von den zwei mal zwei Meter großen Kunststoffplatten, die den Rasen vor den stampfenden Füßen der Fans retten sollen, ist erst ein Teil verlegt.

Rund 250 Leute sind allein in Berlin damit beschäftigt, die 170 Tonnen schwere Luxusbühne aufzubauen – in der Währung des Sponsors VW ist das genügend Stahl für den Bau von 180 VWs und dazu noch ausreichend Aluminium für 200.000 Radkappen. Damit man die noblen Unterstützer auch wirklich nicht vergißt, wurden mehrere metergroße Transparente ausgehängt, auf denen VW die Rolling Stones „proudly presents“.

Mit den 1.500 Scheinwerfern und einer PA, welche die 80.000 Zuschauer mit 1,5 Millionen Watt beschallt, kommt der ganze Aufbau auf schlappe 600 Tonnen. Die Konstruktion der Bühne hat rund 4 Millionen Mark gekostet. Gigantomanisch ist das, könnte man meinen. Aber im Vergleich zu den Auftritten in den USA, wo bereits im August vergangenen Jahres die „Voodoo Lounge World Tour“ der Stones begonnen hat, wurde für Europa abgespeckt: Die Bühne ist mit 80 Metern erheblich schmaler als in Amerika, und auch die Show ist weniger opulent.

Bei der gestrigen Presseführung im Olympiastadion standen sich die Medienvertreter gegenseitig auf den Füßen. Doch ihre Fragen, mit denen sie den amerikanischen Cheforganisator löcherten, überboten sich an Banalität („Was trinkt Mick am liebsten? Wo gehen die Rolling Stones heute abend aus? Dürfen die Kinder der Bandmitglieder auch hinter die Bühne?“) Da fielen auch dem von Paparazzis umringten Produktionsleiter keine vernünftigen Antworten mehr ein: Ob es den Stones etwas ausmache, an einem Ort zu spielen, der von den Nazis erbaut wurde? „It's a place like everywhere else. So many years have past. Yesterday Leipzig, tomorrow Berlin – what's the difference?“ antwortete er ausweichend.

Der 20jährige Frank gehört zu den Arbeitern, die auf dem Boden arbeiten. Sie werden auch „stagehands“ genannt – denn in diesem Business spricht man natürlich Englisch. Neben den stagehands gibt es die „steelhands“, die „rigger“ und die „climber“. Der Berliner Frank, der seine Sonnenbrille lässig in die Haare gesteckt hat und ein Death-Metal-T-Shirt trägt, hat Erfahrung in dem Job. Diesmal hilft er beim Aufbau des VIP-Zeltes. „Die haben das so dschungelmäßig ausgestattet, eben im Voodoo-Lounge-Stil. Kostet allein wahrscheinlich 'ne Million“, sagt er. Die Arbeit macht ihm Spaß. „Es ist sehr easy und vor allem auch sauber. Den technischen Aufwand für die Show hält er überhaupt nicht für übertrieben: „Ich finde das geil. Hauptsache viel Licht und Action.“ Er wird wohl auch den Videoscreen, auf dem das Konzert übertragen wird, amüsant finden. Die angeblich „größte Leinwand der Welt“ ist nicht mehr, wie üblich, am Rand, sondern in der Bühnenmitte aufgehängt. Damit die Fans ihre Köpfe nur noch leicht heben müssen, um vom Original auf die Reproduktion umzuschalten. Ole Schulz

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen