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Premiere für Sachsens neues Polizeigesetz

■ 85 Neonazis wurden vorbeugend für 14 Tage in den Knast gesteckt

Chemnitz (taz) – Eine der umstrittensten Regelungen des im vergangenen Jahr novellierten sächsischen Polizeigesetzes wird während der sogenannten Aktionswoche zum achten Todestag von Rudolf Heß (ehemals Hitler- Stellvertreter) erstmals angewendet. Für 85 Personen im Alter zwischen 15 und 28 Jahren hat das Amtsgericht Chemnitz Unterbindungsgewahrsam bis zum nächsten Montag verordnet. Nach dem Polizeigesetz kann die Zwangsmaßnahme bis auf vierzehn Tage ausgedehnt werden; in anderen Bundesländern sind nur vier Tage oder weniger möglich.

Zum Auftakt der Neonazi-Aktion am vergangenen Wochenende wurden im Regierungsbezirk Chemnitz bereits 92 Personen vorläufig festgenommen, die offenbar auf dem Weg zu einer „Gedenkveranstaltung“ waren. Gegen 55 Festgenommene wurde sofort, gegen weitere 30 im Laufe der Woche Unterbindungsgewahrsam angeordnet.

Die Rechtsextremisten sitzen in Haftanstalten in Sachsen, Bayern und Thüringen. Innenministerium und Polizei feiern die Aktion als „wirksamen Schlag gegen neonazistische Umtriebe in Sachsen“, so der Chemnitzer Polizeipräsident Martin Oester. Kritiker sehen sich jedoch in ihren Bedenken gegen das schärfste Polizeigesetz der Bundesrepublik bestätigt. Joachim Richter, innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, bezeichnet die Zwangsmaßnahme als ein „Zurückweichen des Rechtsstaates“ vor dem Extremismus.

Auch Karl-Heinz Gerstenberg, Landessprecher der Bündnisgrünen, meint, „daß ein vierzehntägiger Vorbeugegewahrsam völlig unangemessen die Persönlichkeitsrechte einschränkt“. Beim Landesverfassungsgericht liegt eine gemeinsame Klage von SPD und Bündnisgrünen gegen das neue Polizeigesetz vor, die sich gegen den vierzehntägigen Vorbeugegewahrsam und weitere „Gruselparagraphen“ (Werner Schulz) richtet.

Wenn das Verfassungsgericht im Oktober eine Anhörung zu dem umstrittenen Gesetz veranstaltet, werden die Neonazi-Aktionen zum Todestag von Rudolf Heß den Befürwortern rigoroser Gesetze ein gewichtiges Argument abgeben. Die „Heß-Aktionswoche“, so soufflieren die Dresdner Neuesten Nachrichten in einem Kommentar, „das klingt wie Chaostage“. In Sachsen hätten die Ordnungshüter gezeigt, „wie Deeskalation nur funktionieren kann: indem die Extremisten erst gar nicht bis zum Ort ihrer Treffen und Aufmärsche gelangen und die als gewalttätig Bekannten vorbeugend hinter Gitter kommen“. Ein „entsprechendes Polizeirecht“ stehe nach den Chaostagen in Niedersachsen „auf der Tagesordnung“. Detlef Krell

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