Von Bandwürmern und anderen Landplagen Von Klaudia Brunst

Natürlich ist im Urlaub alles etwas anders als zu Hause. „Deswegen fährt man ja schließlich weg“, meinte meine Freundin, als wir unser Ferienhaus in Dänemark bezogen und zur Kenntnis nehmen mußten, daß wir in den nächsten drei Wochen doch auf so manchen Komfort würden verzichten müssen. So fehlte zum Beispiel das im Katalog annoncierte vierte Bett. „Stell dich nicht so an“, meinte meine Freundin, während sie ihre solide Federkernmatratze bezog, „du liegst doch gerne hart, und wenn wir wieder einen Campingurlaub gemacht hätten, müßtest du jetzt schließlich auch auf dem Boden schlafen.“

Ich ersparte mir, sie darauf hinzuweisen, daß nicht ich, sondern sie immer die große Anhängerin der Campingkultur gewesen sei, und ging rüber ins Elternschlafzimmer, wo mein schwuler Freund auch nicht eben glücklich darüber war, das Doppelbett nun wieder mit seinem Ex-Freund Dieter teilen zu müssen. „Den braucht ihr doch wohl nicht“, meinte ich und trug, ehe sie es sich anders überlegen konnten, den alten Flokati rüber zu meinem Nachtlager. Als ich endlich alle im Haus zur Verfügung stehenden Bodenbeläge übereinandergestapelt hatte, stellte sich Dieter in den Türrahmen und meinte angeekelt, er persönlich würde sich ja schon aus hygienischen Gründen keinesfalls auf diese ollen Teppiche legen. „Ich würde auch lieber in deinem Bett schlafen“, meinte ich mühsam beherrscht. Aber darauf wollte er sich dann auch nicht einlassen. Irgendwie kann ich verstehen, daß es mein schwuler Freund nicht lange mit Dieter ausgehalten hat, obwohl der „immer total gut im Bett“ war.

Aber auch in anderen Bereichen macht man im Ausland ja wertvolle neue Erfahrungen. Zum Beispiel liest man da Zeitungen, die man sich zu Hause aus Imagegründen nie zu kaufen traut. „Da ist Urlaubmachen wie zum Friseur gehen“, meinte mein schwuler Freund und kaufte sich am Kiosk einen Stern. Eine folgenschwere Entscheidung, wie sich herausstellen sollte, denn Deutschlands größte Illustrierte hatte an diesem Donnerstag mit dem Thema „Vorsicht Haustiere!“ aufgemacht. Sofort stürzte sich sein Ex-Freund, der bis zur Stunde unserer Abreise energisch gegen die Mitnahme unseres Hundes protestiert hatte, auf den Leitartikel: „Hier steht es schwarz auf weiß!“ rief er und drosch unaufhörlich mit seinem Zeigefinger auf die Zeitschrift ein. „Der Enchinococcus zum Beispiel!“ Ein gefährlicher Parasit sei das, der selbstverständlich von Hunden übertragen würde und sich im menschlichen Dünndarm festsetze. Dort angelangt, so jedenfalls die Vorort-Recherchen des Stern, schlüpften dann die sogenannten Hakenlarven aus den Enchinococcuseiern, wanderten durch die Darmwand, gelangten mit dem Blutstrom in die Leber und bildeten da, so Dieter triumphierend, mit Würmern und Flüssigkeit gefüllte Blasen, die mitunter kindskopfgroß werden könnten. – „Ich glaube, ich bin schon im Endstadium“, stöhnte Dieter und faßte sich mit einer lächerlich dramatischen Geste an seinen kindskopfgroßen Bierbauch. Eine Sekunde lang sagte niemand ein Wort. Mein schwuler Freund faßte sich als erster: „Wenn das so ist“, meinte er, „sollten wir wohl doch besser die Betten tauschen. Schon aus hygienischen Gründen.“