Viele Polizisten warten auf Punks

Aber kaum einer fand bislang den Weg in die niedersächsische Provinz  ■ Aus Oldenburg Elke Gundel

„In meinem Horoskop für heute steht: Morgens ist es ruhig, und abends kommt das dicke Ende“, sagt Anja-Maria Gieselmann, Pressesprecherin der Stadt Oldenburg. „Aber ich hoffe nicht, daß es so kommt.“

Grund der Sorge: Ein anonymes Flugblatt mit dem Inhalt „Chaos in Oldenburg vom 18. bis 20. 8. '95“, das die Polizei bei einem festgenommenen Punk während der Chaostage in Hannover gefunden hatte. Was das konkret bedeutet, war für die Polizei bis gestern morgen nicht klar. Aber daß am Freitag abend eine Punkfete im autonomen Kultur- und Kommunikationszentrum „Alhambra“ gefeiert werden sollte, das wußte sie. Doch auch solche Parties gibt es in Oldenburg schon seit Jahren. „Die Punkszene hier ist für uns nicht das Problem“, erklärt Helmut Bongartz, Leiter der Polizeiführungsgruppe in Oldenburg. „Unsere Punkszene umfaßt etwa zehn bis zwanzig Menschen, die kennen wir alle. Das Problem ist, daß wir nicht wissen, wer sonst noch kommt.“ Die Polizei erwartet zwischen zweihundert und tausend Jugendliche. Auch Anja-Maria Gieselmann beschwichtigt: „In den fünf Jahren, die ich jetzt hier bin, hat es keine Punkveranstaltung gegeben, die auch nur eine Spur der Verwüstung hinterlassen hätte. Die Punks feiern eben auf ihre Art. Das gefällt nicht jedem, aber in einer Großstadt muß auch das möglich sein.“ Ihre Einschätzung: Eine völlig normale, seit Monaten geplante Fete, ist vor dem Hintergrund der Krawalle während der Chaostage in Hannover von den Medien zu Oldenburger Chaostagen aufgebläht worden.

Die Äußerungen des niedersächsischen Innenministers, Gerhard Glogowski (SPD), hätten auch nicht gerade zur Entspannung beigetragen. Glogowski hatte angekündigt, die Polizei werde hart und konsequent vorgehen. Sein Rat an die Punks: Gewaltbereite sollen sich warm anziehen, wer friedlich feiern wolle, solle nicht nach Oldenburg fahren. Diese Einschätzung teilt auch die Oldenburger Polizei. „Wir haben hier keine ,Chaostage‘, sondern ein Punktreffen“, betont Bongartz.

In Oldenburg war es gestern tagsüber so ruhig wie an jedem anderen Freitag. Ungewöhnlich war lediglich die sichtbar starke Polizeipräsenz. „Etwa tausend Beamte der niedersächsischen Polizei halten sich im Stadtgebiet auf und kontrollieren die Zufahrtswege“, teilte Helmut Bongartz mit.

Anreisende Jugendliche sollen gründlich durchsucht, gegebenenfalls entwaffnet und zurückgeschickt werden. „In der Nacht zum Donnerstag haben mehrere Oldenburger Punks in der Innenstadt ein Lagerfeuer angezündet“, erzählt Anja-Maria Gieselmann. „Sie haben es aber sofort gelöscht, als die Polizei sie dazu aufgefordert hat. Und dann haben sie sogar noch ihren Müll weggeräumt.“

Im Alhambra herrschte unterdessen ebenfalls gespannte Ruhe. „Nur das Telefon steht kaum still, weil ständig die Medien was von uns wissen wollen“, sagt Fritz Christiansen, einer der Sprecher des Kulturzentrums. Die Veranstalter der Punkfete, die Antifa Jugend Front Oldenburg, seien ebenso wie das Alhambra auch, gar nicht glücklich über die ganze Aufregung. „Die Antifa Jugend Front ist von der Entwicklung etwas überfordert“, glaubt Fritz Christiansen. Auch aus seiner Sicht war es am Freitag morgen ruhig in der Stadt. „Wir haben mitbekommen, daß sich gerade fünf Punks in der Innenstadt getroffen haben. In dieser Gegend werden jetzt auch die Polizeikräfte zusammengezogen“, berichtet Christiansen. Gespräche zwischen Polizeiführung und Alhambra oder Antifa Jugend Front finden wenn, dann nur vermittelt statt.

Die Punks wollten sich gestern abend in der Innenstadt treffen und im Alhambra feiern. Für heute und morgen wird zu Aktionstagen gegen Nazis aufgerufen. Wo, wann und wie diese ablaufen sollen, darüber fehlen der Polizei jedoch konkrete Hinweise.