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„Vier Prozent Grundsteuer“

■ Die Gemeinden könnten das Verfassungsgerichtsurteil zur Besteuerung von Eigenheimen für ihre Landschaftsplanung nutzen

Die Besteuerung von Grundstücken ist in Deutschland verfassungswidrig niedrig. Das entschied am Freitag das Bundesverfassungsgericht. Die nach Meinung des Verfassungsgerichts heute nicht mehr zulässigen Einheitswerte, die der Besteuerung von Grundstücken zugrunde liegen, machen nur 10 bis 20 Prozent des Marktwerts eines Grundstückes aus. Die Einheitswerte wirken sich nicht nur auf die Erbschafts- und die Vermögenssteuer aus. Auch die Grundsteuer, die von den Kommunen erhoben wird, wird sich ändern. Der CDU- Bauminister Klaus Töpfer und die Sozialdemokraten haben bereits eine grundlegende Reform dieser Steuer gefordert. Margarete Spiecker sieht in dieser Debatte Chancen für ökologische Stadtplanung. Die Juristin arbeitet als Planungsrechtlerin an der Uni Regensburg und ist Redakteurin des kritischen rechtspolitischen Magazins „Forum Recht“.

taz: Frau Spiecker, was hat die Besteuerung von Grundstücken mit Ökologie und Stadtplanung zu tun?

Margarete Spiecker: Bei einer niedrigen Grundsteuer können es sich Grundstückseigentümer zum Beispiel leisten, ihr Grundstück ungenutzt liegen zu lassen. In der Hoffnung auf steigende Bodenpreise werden Grundstücke als Spekulationsobjekte gehortet.

Dann liegen Flächen brach und werden nicht bebaut. Das ist doch auch irgendwie ökologisch...

Wenn Bauland im Innenbereich aus Spekulationsgründen nicht genutzt wird, sind die Gemeinden aber gezwungen, zur Deckung des Flächenbedarfs weiteres Bauland im Außenbereich, das heißt in der freien Natur, auszuweisen.

Die Schonung des Außenbereichs hat also Priorität?

Ja. In der ökologischen Stadtentwicklungspolitik gilt das Prinzip „Innenentwicklung statt Außenentwicklung“. Denn die Flächen im Außenbereich sind in der Regel ökologisch deutlich wertvoller als die gehorteten Baulückengrundstücke im Innenbereich. Außerdem wird durch die weitere Ausdehnung der Siedlungsfläche zusätzlicher Verkehr erzeugt mit allen unerwünschten Folgen.

Heißt das nun, daß aus umweltpolitischer Sicht eine möglichst hohe Grundsteuer gefordert werden müßte? Hat das nicht auch prekäre soziale Auswirkungen?

Aus sozialen Gründen bin ich gegen undifferenzierte Brachiallösungen. Die höheren Bodenpreise werden in der Regel einfach auf die Mieten umgelegt. Außerdem kann sich dann nur noch der wohlhabende Teil der Bevölkerung ein Eigenheim oder eine Eigentumswohnung leisten. Letztlich wird der Boden noch stärker als jetzt schon in der Hand weniger konzentriert.

Welchem Modell würden denn Sie den Vorzug geben?

Zunächst müssen die Spekulationsgewinne besteuert werden, um den Anreiz zur Hortung des Bodens zu reduzieren. Außerdem plädiere ich dafür, die Grundsteuer nach dänischem Vorbild auf eine Bodenwertsteuer umzustellen. Besteuert würde dann nur noch der Wert des Bodens, nicht mehr der Wert der darauf stehenden Gebäude. Dies wäre ein Anreiz, um zu flächensparender, insbesondere mehrstöckiger Bauweise überzugehen. Es genügt eben nicht, Bauland zu mobilisieren, vielmehr kommt es auch darauf an, wie gebaut wird. Schließlich sollte diese Bodenwertsteuer dann zwar deutlich höher liegen als die heutige Grundsteuer, die Kommunen sollten aber auf ihrem Gemeindegebiet für unterschiedliche Nutzungsarten örtlich differenzieren können.

Und wie kann sichergestellt werden, daß die Kommunen diesen Spielraum auch im ökologischen Sinne wahrnehmen? Städte und Gemeinden konnten ja auch bisher schon durch ihr Hebesatzrecht die Höhe der Grundsteuer mitbestimmen und haben dennoch darauf verzichtet, die veralteten Einheitswerte auszugleichen.

Steuererhöhungen sind eben unpopulär, deshalb müßte man wohl einen Mindesthebesatz vorschreiben oder einen Durchschnittssatz für das Gemeindegebiet. Damit eine nennenswerte Steuerungswirkung eintreten kann, muß die jährliche Grundsteuer zumindest für Gewerbeflächen schon ein bis vier Prozent des Bodenwertes ausmachen. Fragen: Christian Rath

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