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Sendeausfall

■ Read.Me: "Mediensiff" - ein Krimi von Jürgen Alberts

Die wahren Krimis unserer Zeit sind täglich auf den Medienseiten der Zeitungen nachzulesen: Geht Günther Jauch für eine Million zu Sat.1? Wer gewinnt beim Poker um die Fußballrechte? Längst haben die Journalisten den Ärzten und Rechtsanwälten den Rang als Serienhelden abgelaufen, und gegen die Mediengewaltigen ist die Halbwelt eine Ehrenwerte Gesellschaft. Kein Wunder also, daß immer mehr Krimi-Autoren, die bekanntlich in den besten Fällen vom wahren Leben abschreiben, ihre Stories in der schönen neuen Medienwelt ansiedeln.

„Mediensiff“ von Jürgen Alberts ist so ein Kriminalroman, der genausoviel Medienwirklichkeit abbildet, daß Kenner wissend schmunzeln können und gleichzeitig soviel Erdichtetes bietet, daß er noch spannend zu lesen ist. Ein Sendeausfall macht Schlagzeilen, und der verantwortliche Redakteur avanciert wider alle Regeln zu einem der gefragtesten Journalisten der Republik. Ein Studiogast wird ermordet – in aller Öffentlichkeit – und keiner hat gesehen, wie es geschah. Und ein Politiker packt aus, und wird durch seine Enthüllungen zum Steigbügelhalter für den Kontrahenten.

Alberts langweilt nicht mit der Suche nach dem Mörder, ihn fasziniert der Blick auf die Welt der Medien und auf das Innenleben einer kleinen, feinen Sendeanstalt – unschwer als Radio Bremen zu enttarnen – die wie im richtigen Leben um ihr Fortbestehen bangen muß. Eher beiläufig, dafür aber umso treffender, beschreibt er den schleichenden Ausverkauf der Ideale und Ideen: Wie sich der kritische, öffentlich-rechtliche TV- Journalist Michael Adler, der mit der Brechtschen Radio-Theorie im Herzen seine journalistische Laufbahn begann, von „Super-Guppy“ kaufen läßt, dem größten „Mediensiff“-Produzenten der Republik. Und wie ein Parteischatzmeister, der zuviel weiß, seine eigenen Genossen an die hungrige Journalistenmeute verrät. Weil er all die Jahre über, die er treu gedient hat, nicht nur Zahlenkolonnen addierte, sondern auch Dossiers angelegt hat. Über die Verfehlungen seiner Parteigenossen hat er ebenso penibel Buch geführt wie über Einnahmen, Ausgaben und Spenden – auch die illegalen, versteht sich.

Genug Personal und Stoff für einen Medienkrimi der nur zu wahren Art. Und so verzeiht man Jürgen Alberts und seinem Lektor auch die gelegentlichen sachlichen Fehler. Ehrensache, daß weder Gerechtigkeit noch kritischer Journalismus am Ende den Sieg davontragen – da zappelt nämlich wie in jeder Vorabendserie der Cliffhanger. Fortsetzung folgt – wir zählen drauf. Dietmut Roether

Jürgen Alberts: „Mediensiff“. Heyne Verlag, 175 S., 12,80 DM

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