: Großes Tiefengemuschel
■ Nichts dazugelernt? Zum zweiten Mal drohen Hauffs „Phantasien im Bremer Ratkeller“ zu floppen
„Aus alt mach neu“, mit dem Slogan der Wiederverwertung hat sich schon manch mittelständischer Handwerksbetrieb eine goldene Nase verdient. Leuchtendes Beispiel sind die Portas Türspezialisten an jeder Ausfallstraße: „Morgens geholt, abends gebracht“. Nicht ganz so schnell ist man bei der „Gesellschaft für Kulturmanagement“. Allerdings ist das Renovierungsvorhaben auch weitaus schwieriger. Ein ganzes Jahr hat sich die Firma Zeit gelassen, Hauffs „Phantasien im Bremer Ratkeller“, im letzten Jahr ein Flop in Scheuerleistenhöhe, in diesem Jahr nachzubessern und wieder auf die Rathausbühne zu bringen. Nur: Offensichtlich werden die ganzen Fehler des Vorjahres treu wiederholt, wie sich gestern bei einer Pressekonferenz herausstellte. Bezahlen darf auch in diesem Jahr wieder die SteuerzahlerIn.
50.000 Mark sagte das Bremer Wirtschaftressort zu, um das Sommertheater zu inszenieren – allerdings ist der Sommer längst vorbei. Die Bremen-Touristen wird das Spektakel wohl auch nicht in die Stadt locken – es hängt noch kein Plakat, dabei soll am 7. September Premiere sein. Und wie das Wirtschaftsgeld genau investiert wird, läßt sich auch nicht klar sagen, denn der letztjährige Flop-Veranstalter Hans-August Kruse wird das Geld auch in diesem Jahr wieder selbst verwalten.
Als schlagkräftigste Waffe gilt im PR-Zeitalter nicht das Produkt, sondern die Pressekonferenz. So luden in den Bacchussaal des Bremer Ratskellers: Hans-August Kruse von der Gesellschaft für Kulturmanagment, Thomas Haar von der Hanseatischen Veranstaltungs Gesellschaft und Matthias Siebert, der nicht nur als Regisseur, sondern auch als Autor der „Phantasien im Bremer Ratskeller“ präsentiert wurde.
Im letzten Jahr konnte noch der Bremer Hans König als Autor des Bühnenstücks nach Hauffs Novelle ausgemacht werden, in diesem Jahr nun ein neues Stück von Siebert? Immerhin überlegen Autor König und Stefan Schönfeld, Regisseur der letztjährigen Fassung, ob sie juristisch gegen den Zweitaufguß vorgehen müssen, nachdem ihnen die Urheberrechte streitig gemacht werden. „Was ist neu, das ist schwierig zu sagen. Da müßte man ja vergleichen. „Reden wir doch lieber über Hauff '95“ lautet die mehr als diplomatische Antwort von Matthias Siebert.
Immerhin soll die diesjährige Variante des Ratskellerspektakels auch kleine musikalische Einlagen enthalten. „Schließlich bin ich auch Komponist.“ Um zu beweisen, wozu das führen kann, entpuppte sich eine wie zufällig in die Pressekonferenz hereinplatzende Touristengruppe als das lustige Ensemble und schmetterte gleich zum Beweis des Könnens den Journalisten eine munteres Ständchen ins verblüffte Angesicht.
Die Verblüffung hielt an, als Kulturmanager Hans-August Kruse ganz stolz erzählt, was seine kleine Firma so alles macht. Nicht nur die Organisation, auch die Verwaltung der öffentlichen Gelder. Im vergangenen Jahr hatte selbst der Wirtschaftssenator keine Ahnung, wie die öffentlichen Zuschüsse genau verwendet wurden. Damals hatten die Wirtschaftförderungsausschüsse eine Gesamtsumme von „bis zu 144.000 Mark“ für zwei Kruse-Projekte ausgegeben, auf Nachfragen allerdings wußte der ehemalige Wirtschaftssenator allerdings nicht, wie das Geld genau verteilt wurde, die Entscheidung traf schon damals Kruse selbst.
Und auch andere Pannen des vergangenen Jahres scheinen sich in diesem Jahr zu wiederholen.
Das als Sommertheater gedachte Spektakel findet wieder erst im September statt, wenn die Schulferien längst zu Ende sind und auch Touristen sich nur noch versehentlich nach Bremen verirren. Und die Werbung sollte natürlich intensiviert werden, war noch der feste Vorsatz des letzten Jahres. Blieben doch die Zuschauer auch deshalb aus, weil niemand Bescheid wußte. Hinweise selbst in der Bremer Innenstadt fehlten und Busunternehmer von außerhalb können so schnell keinen Kunden bekommen. Doch auch diesmal scheinen die alten Probleme sich schon wieder zu türmen. Ankündigungen? Bislang Fehlanzeige.
Kruse allerdings behauptet, das sei so gewollt, gewissermaßen als Überraschung für die Journalisten, direkt anschließend an die Pressekonferenz würde plakatiert. Thomas Haar räumt zwar ein, daß die HVG nur ideele Hilfe leiste, „und Sachmittel, in Form meiner Person“. Er würde das Ratskellerprojekt seit einem halben Jahr dann bei tourismusrelevanten Messen dann „Immer mal so einfließen lassen“. Aber um gezielt Besucher von außerhalb ansprechen zu können, sei es halt zu spät, „da muß man im Grunde ein Jahr eher anfangen“.
Die Gefahr, daß man aber alle 18 Vorstellungen in der unteren Rathaushalle vor leeren Reihen spielen muß, scheint jetzt schon gebannt. Eine Vorstellung ist bereits gebucht. Für den 15. September hat sich ein Altersheim angemeldet, das besetzt auf einen Schlag 30 Plätze. Susanne Raubold
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