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In der City eine Wiese mit Bächlein

Eklat im Stadtplanungsamt: Architekt und Investor ziehen nach Vorlage einer Alternativbebauung für den Parkplatz zwischen Wieland- und Leibnizstraße in Charlottenburg aus  ■ Von Rolf Lautenschläger

Unendliche Geschichten entstehen, wenn man nicht mehr über die Inhalte spricht. Anstatt zu reden, wird falsch verstanden, angemacht und ausgeschlagen. Am Ende kommt meist gar nichts raus. Zur unendlichen Geschichte entwickelt sich derzeit erneut die geplante Bebauung des Parkplatzes zwischen Wieland- und Leibnizstraße, zieht nicht doch noch Vernunft in die Köpfe aller Beteiligten. Daß dafür wenig Hoffnung besteht, ahnt man allerdings schon lange und seit dem vergangenen Montag abend erst recht. Da knallten zum Thema im Charlottenburger Stadtplanungsausschuß die Türen. Von „Skandal“ und Ehrabschneidung war die Rede. Architekten rannten raus und rein, Investoren warfen den Bettel hin, und Bürger protestierten. Am Ende war man so weit wie zu Beginn: Beschlossen wurde wieder nichts.

Daß es auf der Sitzung des Planungsausschusses kracht, war nicht schwer zu erraten: Baustadtrat Claus Dyckhoff (SPD) hatte sich mit dem Architekten Hans Kollhoff und dem Investorenvertreter der Hanseatica, Ex-FDP-Chef Walter Rasch, munitioniert, die Wielandstraßenbebauung endlich über die Bühne zu bringen. Nach monatelangem Streit hatte sich das Bezirksamt auf ein Konzept geeinigt, den Kollhoff-Entwurf in einer abgespeckten Form, nämlich ohne Ecktürme, zu realisieren.

Auf der anderen Seite standen die Grünen samt CDU und die „Anwohnerinitiative“, die einen Gegenarchitekten – Hinrich Baller – inklusive Alternativentwurf mitgebracht hatte. Baller hatte vor einer Woche einen Entwurf für den neunzig Meter breiten Parkplatz mit einer runden Wohnbebauung samt Wiese und Bächlein präsentiert. Provinziell, nicht städtisch, kritisiert Dyckhoff den Baller-Entwurf.

Da kam es, wie es kommen mußte: Kaum hatten der Baustadtrat sowie der Architekt das Nutzungskonzept des Projekts aus zwei langen Häuserzeilen auf der südlichen und nördlichen Platzseite gelobt und der Investorenvertreter mit Ausstieg gedroht, falls die Bebauung nicht losgehe, da polterten die Anwohner mit dem Gegenarchitekten in die Sitzung. Hinrich Baller solle seinen Entwurf vorstellen, hieß es, weil darin ihre Ansprüche nach Grün und Wohnen besser vertreten würden als bei Kollhoff. Kollhoff habe zwar 1984 (!) den Bauwettbewerb gewonnen, aber den steinernen Platz zwischen den beiden Riegeln werde man nie akzeptieren.

Hans Kollhoff platzte da der Kragen. „Sollte der Kollege Baller sein Konzept hier vortragen, gehe ich.“ Unerträglich sei das, gegen alle Wettbewerbsregeln, sagte er. Und als, nach einer Abstimmung, dem renommierten Alternativarchitekten mit Indianerfrisur, Rüschenhemd und freier Brust bis zum Bauchnabel Rederecht gegeben wurde, packte Kollhoff seine Pläne ein und war verschwunden.

Doch damit nicht genug. Auch Rasch war sauer. Mit einer „derart unqualifizierten Planung“ könne er nichts anfangen. Es sei ein „Skandal“, das Konzept aus politischem Kalkül und von Anwohnerseite hinauszuzögern. Da die Wohnungsbauförderung für das 250-Millionen-Mark-Projekt im November auslaufe, dürfe man sich keine „Beeinträchtigungen“ mehr leisten. Sprach's und rannte raus. Der Eklat war perfekt: Architekt und Investor waren weg. Die Anwohnerinitiative jubelte. Die Abstimmung wurde auf Donnerstag verschoben. Daß dabei etwas herauskommt, ist zweifelhaft.

Man muß Hinrich Baller zugute halten, daß er sein Projekt im Stadtplanungsamt nicht über das von Kollhoff stellte. Dennoch sollte dem Architekten – ebenso wie den Grünen – klar sein, für was er da instrumentalisiert wird. Nach fast elf Jahren Planungshickhack gibt es ein Konzept, das den Parkplatz endlich aufwertet und ihn städtisch definiert. Bei dem 250-Millionen-Mark-Projekt hat der Bezirk dem Investor Hanseatica ein Nutzungsprogramm abgetrotzt, das sich sehen lassen kann: 131 Wohnungen – davon 83 öffentlich gefördert –, eine Kita, öffentliche Räume und Spielplätze, wenig Büroraum und ein kleines Hotel sind geblieben. Das war schon einmal anders.

Warum nun ausgerechnet eine finanzierte Kita, die Wohnungsbauförderung und ein städtischer Platz gegen eine Wiese mit Flüßchen mitten in der Stadt sowie gegen eine unausgereifte Planung ausgetauscht werden sollen, müßte auch den Architekten Baller stutzig machen. So ergreift jeder Investor die Flucht, und geförderte Wohnungen sind allemal besser als teure frei finanzierte. Vielleicht sollten sich Hans Kollhoff und die Anwohner an einen Tisch setzen und sich über Bilder von Stadtplätzen unterhalten. Das bringt mehr.

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