: Spitzbergen in Sicht!
Feminin, aber nicht feministisch: Ab heute macht der neue Spartensender TM3 ein eigenes „Fernsehen für Frauen“ – und für alle, die sich so fühlen ■ Von Klaudia Brunst
Er kocht gern, haßt Fußball und weiß, daß die moderne Frau „über Emanzipation nicht mehr reden muß“. Perfekt paßt TM3-Geschäftsführer Jochen Kröhne (38) in die Zielgruppe seines eigenen Senders. Sein einziger Fehler: Kröhne ist ein Mann, und TM3 (Tele München 3) will ab heute eigentlich die Frauen beglücken.
Denn der neue Sender, der zu je 50 Prozent von Tele München (RTL2; Tele5) und dem Heinrich Bauer Verlag getragen wird, hat bei der Bayerischen Landeszentrale für Medien (BLM) eine Lizenz als Spartenkanal beantragt. Das RTL2-Engagement der Tele München verbietet nämlich medienrechtlich eine weitere Beteiligung an einem Vollprogramm – nicht aber die Gründung eines Spartenkanals. Nur „aus rein opportunistisch-formalen Gründen“ (Kröhne) entschied man sich also für die Frauen: „Wir wollten Fernsehen für eine Zielgruppe machen“, so der TM3-Chef zur Unternehmensphilosophie, „und wir haben die größte genommen.“
In der Tat: 53 Prozent der bundesrepublikanischen Bevölkerung sind Frauen. Das gibt allemal eine hübsche Zielgruppe ab. Zumal die Werbewirtschaft längst erkannt hat, daß es in den neuen emanzipierten Zeiten zumeist die Frauen sind, die die alltäglichen Kaufentscheidungen treffen. Werbespots für „Ariel ultra“ oder die „Krönung light“ werden deshalb nicht ohne Grund am liebsten in den Nachmittagsprogrammen der Privatsender geschaltet, die zu dieser Tageszeit wiederum eigens Sendungen programmieren, die von Hausfrauen beim Bügeln gerne eingeschaltet werden, so daß die dann später die richtige Bügelhilfe kaufen, damit der Hersteller genug Geld verdient, um wieder neue Werbespots zu schalten.
Natürlich war es längst an der Zeit, daß jemand diese Werbekaufkraft in einem eigenen Sender bündelt, und natürlich muß bei einem solchen Vorhaben die Zielgruppe möglichst weit definiert werden. So verwundert es also nicht, daß sich TM3 einen möglichst nichtssagenden Namen gab („Femme“, „Flair“, „Donna“ oder „Look“ wurden abgelehnt, weil sie interessierte Männer verprellen könnten) und in der Eigenwerbung betont, der Sender sei „für alle Frauen, alle Geschmäcker, alle Altersstufen“ da.
Oder genauer gesagt: für fast alle. Denn mit den Feministinnen stehen Kröhne und seine Mitarbeiterinnen eher auf Kriegsfuß: „Wir sind keine blaustrümpfigen Emanzen“, beeilt sich TM3-Chefredakteurin Anna Doubek (48), möglichen Mißverständnissen vorzubeugen. Und Jochen Kröhne betont, man sei „kein Frauenbuchladen“. Nicht feministisch, sondern feminin sei das Frauenbild seines Senders. Da hilft es auch nicht, daß Doubeks frohe Botschaft, man wolle den Zuschauerinnen „Mut machen, Selbstbewußtsein zu zeigen“, doch recht frauenbewegt klingt. Aber mit den Emanzen („TM3 hat Biß, ohne verbissen zu sein“) läßt sich eben kein so gutes Geschäft machen wie mit den Hausfrauen, die sich nun bei Kröhnes Seifenopern die Zeit zwischen Mittagessen und Kaffeeklatsch vertreiben sollen.
Lange bevor in der bisherigen RTL-Nachtjournal-Moderatorin Doubek endlich die passende Chefredakteurin gefunden worden war, hatten Kröhne, seine Einkäuferin Isabelle Kunert und Marketingleiterin Susanne Wirth ein äußerst „lenor“-taugliches Programm zusammengekauft (Jahresetat des Senders: 85 Millionen Mark): Arztserien wie „Chefarzt Dr. Westphal“ und die südamerikanische Telenovela „Morena Klara“ weisen den Weg zu möglichst hohen Einschaltquoten. Weil aber die Werbewirtschaft in erster Linie an den finanzstarken, aufgeklärten 14- bis 49jährigen „Ich bin so frei“-Zuschauerinnen interessiert ist, darf die TM3-Welt nicht bei der Schwarzwaldklinik enden.
Kröhne weiß, was Frauen wünschen
Charming-boy Kröhne agierte auch hier äußerst klug: 30 Prozent seines 18stündigen Tagesprogramms beschickt er mit Eigenproduktionen. Die Liste seiner Zuliefererinnen liest sich wie die Anwesenheitsliste der Vollversammlung einer Frauen-Mediengewerkschaft: Von Gisela Marx mit ihrer Produktionsfirma bis Georgia Tornow (Berliner Zeitung), die einen „Beratervertrag“ unterschrieben hat, von Amelie Fried bis Bettina Rust hat Kröhne praktisch alle TV-Frauen um sich geschart, die in anderen Sendern am Ende der männerdominierten Karriereleiter angekommen zu sein scheinen. Elke Heidenreich schreibt fleißig an einer Sitcom, Vicky Leandros wird nächsten Monat das Magazin „Frauen dieser Welt“ präsentieren, und demnächst darf Domenica ihr neues Leben als Sozialarbeiterin in kleinen Fünf-Minuten- Spots bewerben.
Mit viel Hohn und Spott aus Medienkreisen wurde das TM3- Konzept in den letzten Monaten überschüttet. Gleichwohl: die Rechnung der TV-Betreiber könnte aufgehen. Man freue sich über reges Interesse der Werbewirtschaft, heißt es aus München, offenbar hat man in den Schaltzentralen der Mediaagenturen die Programmankündigungen richtig verstanden: Das Modemagazin „Planet Fashion“ bedient zielgruppengenau Werbekunden von Parfum bis Damenunterwäsche, das Elternmagazin „Kinderella“ schielt auf Pampers & Co, und die tägliche Morgengymnastik „Fit für Frieda“ wird wohl der Diätdrinkhersteller Slim Fast buchen. In der täglichen Talkshow „Ultima“ gibt's schließlich ein frohes Wiedersehen mit Ariel-ultra-Fan Ilona Christen („Ich dacht', ich schau mal vorbei“), und was bis dahin nicht untergekommen ist, findet sicher ein passendes Örtchen in den „Frieda“-Infotainment-Blöcken am Vormittag. Zielgruppen-Fernsehen nennt man das wohl.
Nur eines könnte die so umschmeichelten Werber doch noch verschrecken: Viele von ihnen werden vorerst noch in die Röhre gucken, wenn sie ihren Spot demnächst auf dem Bildschirm suchen: Bislang wird TM3 nur in Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen ins Kabel eingespeist. Das macht nur ein Viertel der Bundesdeutschen Kabelhaushalte aus. Mindestens das Doppelte bräuchte Kröhne, um wie geplant 1999 schwarze Zahlen zu schreiben. Bis dahin darf er sich damit trösten, daß der TM3-Platz auf dem in Deutschland wenig frequentierten Satelliten „Hotbird“ eine „technische“ Reichweite bis Spitzbergen verspricht.
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