: Atomlager Ost verstopft
Die Umweltministerin des Landes Sachsen-Anhalt untersagt die Einlagerung mittelradioaktiver Abfälle im Kalibergwerk von Morsleben ■ Von Eberhard Löblich
Magdeburg/Morsleben (taz) – Angela Merkel faxte eine „Verfahrensleitende Weisung“ nach Magdeburg. Das Land möge bitte keine Entscheidungen treffen, ohne vorher die Bundesregierung zu befragen. Das Papier kam aber erst am Donnerstag nach 19 Uhr auf den Tisch der bündnisgrünen Umweltministerin Heidrun Heidecke, die gestern morgen deshalb völlig ungerührt der Presse verkündete, das Land Sachsen-Anhalt verbiete mit sofortiger Wirkung die Einlagerung mittelradioaktiver Abfälle im alten Kalibergwerk von Morsleben.
Nach Niedersachsen legt sich damit nun auch Sachsen-Anhalt atomrechtlich mit Angela Merkel an. Das Lager von Morsleben besitzt lediglich eine Betriebsgenehmigung aus den Tagen der DDR. Auch die mittelradioaktiven Abfälle werden noch heute nach alter DDR-Technik eingelagert, die geradezu steinzeitlich anmutet. Die Gebinde mit dem Strahlenmüll werden durch Löcher in der einen Abbausohle einfach in die darunterliegende Sohle gekippt.
„Durch die Sturzhöhe von 15 Metern platzen die Fässer nahezu regelmäßig auf“, sagt Heidecke, „und die Vermischung unterschiedlicher Stoffe kann zu unkontrollierbaren Reaktionen führen.“ Auch die Einlagerung flüssiger Abfälle im Abbau 2, die nach den Plänen von Strahlenschutzamt und Bundesumweltministerin Angela Merkel demnächst ebenfalls wieder aufgenommen werden soll, habe schon zu DDR-Zeiten nie so geklappt, wie man sich das vorgestellt habe. Die Flüssigkeiten sollten sich mit beigegebener Braunkohleasche verbinden und verfestigen. „Das haben sie aber zum großen Teil nicht getan“, sagt Sachsen-Anhalts Umweltstaatssekretär Wolfram König. „Deshalb sind radioaktive Flüssigkeiten mittlerweile auf die Sohlen 7 bis 10 durchgesickert.“
Sowohl die aufgeplatzten Fässer als auch die vagabundierenden Flüssigkeiten seien Sicherheitsrisiken, die dem atomrechtlich geforderten Vorsorgeprinzip widersprechen. Auch nach der DDR-Betriebsgenehmigung müßte der mittelradioaktive Abfall in Fässern aufbewahrt sein, die im Notfall innerhalb des Endlagers verschoben werden können. Um das Lager über das Jahr 2000 hinaus zu betreiben, wie es die Bundesregierung will, muß ein sogenannter Langzeitsicherheitsnachweis nach westdeutschem Recht erbracht werden. Umweltminister Klaus Töpfer hatte mit dem damaligen Landesumweltminister deswegen ein freiwilliges Moratorium für die Einlagerung mittelaktiver Abfälle vereinbart.
Jetzt sei die Sicherheit aber nachgewiesen, glaubt Töpfers Nachfolgerin Angela Merkel. Ihr parlamentarischer Staatssekretär berief sich im Bundestag auf eine Studie der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover, wonach das Atommüllendlager für 10.000 Jahre garantiert sicher sei. Klinkerts Zeitrechnung kann man im Magdeburger Umweltministerium allerdings nur schwer nachvollziehen. Denn die BGR-Studie, die in einer Zusammenfassung vom Bundesamt für Strahlenschutz veröffentlicht wurde, bezieht sich ausdrücklich nur auf den einst von der DDR genehmigten Betriebszeitraum bis Juni 2000.
„Und dann haben der BGR für ihre Studie auch noch wichtige standortspezifische und geotechnische Daten gefehlt“, wettert Heidecke. Für sie ist der Sicherheitsnachweis nach wie vor nicht gegeben. Das teilte sie dem Bundesamt für Strahlenschutz bereits im Juni mit. „Seit Anfang Juli liegt die Stellungnahme des BfS vor, aber sie konnte unsere Einwände nicht ausräumen“, sagt die Ministerin.
Die Bundesumweltministerin könnte das Land mit einer bundesaufsichtlichen Weisung dennoch dazu zu zwingen, die Einlagerung mittelradioaktiven Atommülls in Morsleben zu genehmigen. Für Montag hat Merkel die Spitze des Magdeburger Umweltministeriums zu einem Gespräch nach Bonn befohlen. Die Regierung steht unter Zugzwang, die Atomwirtschaft drängt zur Eile. Denn die Zwischenlager für mittelradioaktiven Atommüll sind weitgehend voll, das im Schacht Konrad geplante westliche Endlager ist von einer Genehmigung weit entfernt.
„Gegen eine bundesaufsichtliche Weisung können wir kaum etwas unternehmen“, sagt Heidecke. „Aber wir werden dann öffentlich darauf hinweisen, daß atomrechtlich und technologisch nicht hinnehmbare Bedingungen von Bonn aus durchgesetzt werden.“ Heidecke hat ihre Kollegin deshalb eingeladen, sich vor Ort über das einzige deutsche Atomendlager zu informieren. „In Bonn herrscht offensichtlich Unklarheit über die tatsächlichen Verhältnisse.“
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