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Düstere Visionen vor dem Bahnhof

■ Käufer gesucht: für den Bahnhofsvorplatz, für das Postamt 5, für das Siemens-Hochhaus

Bremens Bahnshofsvorplatz könnte in ein paar Jahren ein toter Winkel werden. Diese Schreckens-Vision mag keiner der Stadtplaner so recht aussprechen, aber nur deswegen, weil nicht sein kann, was nicht sein darf.

Überregionale Investoren nämlich zucken zurück, wenn ihnen etwas am Platz vor dem Hauptbahnhof Bremen angeboten wird. Zum Beispiel der Bahnhofsvorplatz selbst. Einen großen Architektenwettbewerb ließ die bremische Wirtschaftsförderung ausschreiben, ein großes Areal des Platzes zwischen Tivoli-Hochhaus und Hotel Mercure soll verkauft und bebaut werden. Der erste Preis ging an ein Modell, das mit anspruchsvoller Glas-Konstruktion sogar einen überdachten Markt vorschlug.

Wochenlang schrieb Bremen das Grundstück überregional für Investoren aus – 60 Millionen sollten der Preis sein. Mit dem Geld wollte Bremen das Umfeld städteplanerisch aufwerten. Daraus wird nun nichts: Ein einziges Gebot gab es, für 30 Millionen und nicht mehr kann Bremen seinen Bahnhofsvorplatz verkaufen. Seit Wochen schweigt die Stadtplanung über das blamable Ergebnis. Was wird aus dem Umfeld? „Anderes Geld dafür wird es nicht geben“, sagt der für die Innenstadt zuständige Vertreter des Wirtschaftsressorts, Hans-Joachim Torke.

Direkt neben dem lukrativen Baugrundstück, das niemand will, steht seit Monaten eingepackt das Tivoli-Haus und wartet auf seine Sanierung. Gegenüber vom Tivoli-Haus fällt der Blick auf das nächste Problemkind: Postamt 5 am Bahnhof. 1996 wird die neue Sortieranlage am Flughafen fertig, dann wird die Post dieses Gebäude aufgeben, obwohl es gerade erst vor einigen Jahren aufwendig umgebaut wurde. 60.000 Quadratmeter Büro- oder Verkaufsfläche in Bahnhofsnähe – ein Schnäppchen? Immobilienmakler bieten es wie Sauerbier bundesweit an. „Leider gibt es bisher kein qualifiziertes Angebot“, sagt Innenstadt-Planer Torke vorsichtig. Das sei aber nicht in erster Linie die Sorge der Stadtgemeinde – die Immobilie gehört der Post, also hat die Post ein Problem, wenn sie keinen Käufer findet.

Aber der Kollege Enno Keune vom Stadtplanungsamt weiß, daß es „natürlich auch die Stadtplanung betrifft, wenn soviel auf den Markt kommt und erstmal leersteht“. Schon ist für das Postamt die Idee eines „Weserpark II“ in den Köpfen: 60.000 Quadratmeter Verkaufsfläche. „Das wäre ja bald ein Drittel der Verkaufsfläche der Innenstadt, ein gigantisches Projekt“, sagt Ortsamtsleiter Robert Bücking. Kann Bremen seine City ernsthaft zur Weser hin („Stadt am Fluß“) entwickeln wollen und am Bahnhof einen derartigen Magneten zulassen? Wieviele City-Geschäfte würden kaputtgehen durch diese Konkurrenz? Schon aufgrund der Verkehrsprobleme ist diese Idee aber kaum realisierbar, neue Zufahrten und eine neue riesige Tiefgarage unter dem Postamt müßten gebaut werden. Bücking resigniert: „Niemandem fällt eine Verwendung für das Postgebäude ein.“ Stadtplaner Keune: „Die Post weiß noch nicht, was ein Investor da machen kann.“ Längst müßte eine Entscheidung gefallen sein und ein Interessent planen, weiß das Innenstadt-Planer Torke – „es wird wahrscheinlich zu Leerständen führen“.

Und hinter der Hochstraße, der Siemens-Konplex? „Für uns ist das da kein befriedigendes Ergebnis“, sagt Stadtplaner Keune zu der derzeitigen Nutzung der Parterre-Etage durch diverse Erotik-Shops. Immerhin ist Parterre das meiste langfristig vermietet. Schwenkt der Blick hoch gen Himmel, wird es düsterer. Was soll aus dem Büro-Turm werden, wenn Siemens mit seiner Verwaltung in den Technologie-Park an der Universität umzieht? Der 60er-Jahre-Bau ist sicherlich sanierungsbedürftig, „von hochwertig kann da keine Rede sein“, sagt Keune beinahe beruhigt: Vielleicht kann eine Konkurrenz zu dem geplanten Büro-Komplex auf dem Bahnhofsvorplatz vermieden werden, wenn dort sehr hochwertige architektonische Lösungen realisiert werden, Büros im Villa-Stil. Aber am Bahnhofs-Nordausgang („Passage Bürgerweide“) wurde auch lange nach „hochwertigen“ Pächtern gesucht und dann doch Aldi als Nutzer genommen.

Siemens, das weiß man bei der Stadtplanung, hat ein Problem mit seinem Hochhaus in zentraler Bahnhofsnähe. Gibt es eine Zusage der Stadtgemeinde, dem Konzern dieses Problem abzunehmen, wenn er an der Uni neu baut? Er habe so etwas „munkeln hören“, sagt Stadtplaner Keune. „Schriftlich gibt es sowas nicht, soweit ich jedenfalls weiß“, sagt der frühere Umwelt- und Stadtentwicklungssenator Ralf Fücks. Baut denn Siemens überhaupt? „Ich wollte eine feste Zusage haben, daß sie bauen“, erinnert sich Fücks. Die bekam er nicht. Genauer: Die Bremer Siemens-Vertreter waren bemüht, der Konzernzentrale in München die großen Rationalisierungs-Potentiale vorzurechnen, die eine Zusammenführung der verstreuten Siemens-Aktivitäten in einem Neubau bringen würde. Aber Siemens-München hat keine Eile.

Die Vegetation in dem Gelände „Uni-Ost“ ist gegen den Widerstand der Hollerland-Schützer abgeräumt worden, seit Wochen wird da auf Kosten der Stadt Sand hin- und hergeschoben. Längst müßte ein Bauantrag von Siemens da sein, längst müßte ein Kaufvertrag über das Grundstück ausgehandelt sein – nichts dergleichen. Der Hintergrund liegt auf der Hand: Wenn Siemens das Hochhaus am Bahnhof nicht für gutes Geld los wird, dann rechnet sich für die Münchener Zentrale der Neubau nicht.

Ist der Siemens-Neubau also heimlich vertagt, erstmal gestrichen? Zuständig für Presseauskünfte, Bremen betreffend, ist der Hamburger Siemens-Sprecher Panthen. Gibt es bald einen Bauantrag? „Bis Jahresende läßt sich dazu nichts sagen“, sagt er dazu.

K.W.

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