: Freimut Duve spaltet die Friedensfreunde
■ Krach um Antikriegsdemo: Friedenskoordination, Grüne, PDS und Jusos sagen ab / Pazifistische Position verhöhnt?
Jahrelang glichen sie einem Ritual, die Antikriegsdemonstrationen am 1. September. Nun aber hat die Debatte um eine Lösung des Balkankonfliktes die Organisatoren der diesjährigen Veranstaltung, die unter dem Motto „Stoppt den Krieg in Bosnien“ steht, tief gespalten.
Weil der Süd-Ost-Europa-Verein den SPD-Bundestagsabgeordneten Freimut Duve als Redner für die Abschlußkundgebung einlud, zogen der bündnisgrüne Landesverband als Veranstalter und die Friedenskoordination ihre Unterstützung nun zurück. Duve stehe für „interventionistische Positionen, die von unserem Landesverband eindeutig abgelehnt werden“, so gestern Christian Ströbele vom grünen Vorstand. Der Süd- Ost-Europa-Verein habe eigenmächtig gehandelt und die Absprache verletzt, im Wahlkampf keine Parteivertreter als Redner einzuladen. Neben Duve soll auch der ehemalige UN-Menschenrechts-Beauftragte Tadeusz Mazowiecki und Vertreter aus Bosnien zu Wort kommen.
Laura von Wimmersperg von der Friedenskoordination, einem Bündnis verschiedener politischer, gewerkschaftlicher und kirchlicher Gruppen, verteidigte gestern die Absage. Duve stehe für die „bundesdeutsche Politik der Kriegseinsätze“ sei daher als Redner auf einer Friedensdemonstration fehl am Platze und ohnehin gegenüber den Unterstützergruppen „nicht durchzusetzen“. Vereinsmitglied Jürgen Karwelat, selbst bündnisgrünes Mitglied, kann über die Entscheidung seiner Partei nur den Kopf schütteln. Seit Wochen habe man sich um ein breites Bündnis bemüht und den Aufruf dementsprechend weit gefaßt: „Wenn Demonstranten möglicherweise Transparente für eine militärische Lösung hochhalten, warum soll dann Duve nicht das Wort ergreifen?“
Schon vor dem Eklat um den SPD-Abgeordneten war die Zahl der Unterstützer geschrumpft. Ende letzter Woche kündigten die Jusos und die PDS ihre Zusammenarbeit wegen einzelner Formulierungen im Aufruf auf. Anstoß nahm der PDS-Landesvorstand vor allem an einer Passage, in der es heißt: „Jeder der will, daß dieser Krieg beendet wird, soll an dieser Demonstration teilnehmen und seine politischen Positionen zum Ausdruck bringen.“ Mit dieser Formulierung werde eine militärische Intervention „bewußt“ nicht ausgeschlossen, zugleich aber der pazifistische und antimilitaristische Charakter des Antikriegstages verhöhnt. Störend empfindet die Partei auch die Unterschriften zahlreicher prominenter Befürworter eines Kriegseinsatzes – darunter sind die bündnisgrünen Bundestagsabgeordneten Gerd Poppe und Marie-Luise Beck. Da ihnen die Aufmerksamkeit der Medien gewiß sei, drohe eine Vereinnahmung der Demonstration durch die Kriegsbefürworter, befürchtet die PDS.
Bis gestern war offen, ob am 1. September, dem Tag des deutschen Überfalls auf Polen 1939 und des Beginns des Zweiten Weltkriegs, Demonstrationen durch die Innenstadt ziehen werden. Der Süd-Ost-Europa-Verein will an seinem Motto und seinem Redner Freimut Duve festhalten, der Landesvorstand der Grünen heute das Thema beraten. Die einfachste Lösung schlug Christian Ströbele gestern vor: „Wenn Herr Duve mitläuft, sehe ich keinen Grund, warum die Grünen nicht doch noch teilnehmen sollten.“ Severin Weiland
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