: Ein Verband geht baden
■ Eklat zwischen Aktiven und Funktionären zum Abschluß der Schwimm-Europameisterschaften in Wien
Berlin (taz/dpa) – Es ist schon erstaunlich, wie es die Funktionäre des Deutschen Schwimmverbands (DSV) in wechselnder Besetzung fast schon seit Jahrzehnten mit schönster Regelmäßigkeit schaffen, die Athletinnen und Athleten zu verprellen. Von Gerhard Hetz über Michael Groß und Dagmar Hase bis zu Franziska van Almsick – die Probleme ähneln sich: es geht um Disziplinierungsversuche, mangelndes Taktgefühl und, vor allem, Geld.
„Wenn ich in den Augen irgendwelcher Leute zu wenig Gold gewonnen habe, tut es mir leid“, sagte Franziska van Almsick sarkastisch, nachdem sie am Samstag in der 400x100-m-Lagen-Staffel ihre fünfte Goldmedaille bei den Europameisterschaften in Wien gewonnen hatte. Eine Anspielung auf die verbalen Überfälle, denen sie von seiten der Funktionäre ausgesetzt war, nachdem sie auf ihrer Spezialstrecke, den 200m Freistil, im Vorlauf ausgeschieden war. DSV-Vizepräsident Kurt-Heinrich Maier hatte der 17jährigen daraufhin vorgeworfen, das Mannschaftsgefüge zu zerrütten, und sie dreist aufgefordert, ihre Lebenseinstellung zu überdenken. „Franziska kennt Herrn Maier überhaupt nicht“, sagte daraufhin Werner Köster, Manager der Schwimmerin, die sich vom Verband in der bitteren Stunde der Niederlage im Stich gelassen fühlte.
Doch der Wirbel um den unangefochtenen Star des DSV-Teams, zusätzlich angereichert durch van Almsicks unglückliche Sätze über ihr Interesse für das „Phänomen Hitler“, war nur der Auftakt zum großen Krach, bei dem es um finanzielle Dinge ging. Am Samstag überklebten die Athleten die Logos des Hauptsponsors „arena“ auf ihrer Kleidung, aber „arena“- Geschäftsführer Werner Peemöller war nicht etwa sauer, sondern stand den Athleten bei. „Uns liegt daran, daß das Geld bei den Leistungsträgern, und das sind die Schwimmer, ankommt“, sagte Peemöller und verlangte, wie die Athleten, vom DSV mehr Transparenz. In die Kritik geraten sind vor allem DSV-Präsident Klaus Henter und der für Leistungssport zuständige Maier. Seit Jahren verlangen die Athleten über ihre Aktivensprecher eine Offenlegung der DSV-Einnahmen. Zugleich beharren sie auf einem Stück aus dem Werbekuchen. Der DSV hat sämtliche Werberechte für geschätzte 500.000 Mark an die Wirtschafts Dienst (WD) GmbH abgetreten. Was diese für die Vermarktung der Nationalmannschaft kassiert, ist geheim.
Eine vom DSV durchgeführte Pressekonferenz endete im Mannschaftsquartier chaotisch. DSV- Vize Maier hatte kaum erklärt, die Athleten hätten sich für ihre Aktion entschuldigt, da wurde er von Franziska van Almsick widerlegt: „Wir als Mannschaft haben uns nicht für die Aktion entschuldigt, sondern wir haben uns bei Herrn Peemöller persönlich entschuldigt.“ Die Athleten, so „Sprachrohr“ Björn Zikarsky, hätten aber keine Möglichkeit mehr gesehen, sich Gehör zu verschaffen.
In einem Brief an die Verbandsführung brachten die Athleten zudem ihre Sorge um eine richtige Vorbereitung auf die Olympischen Spiele in Atlanta im nächsten Jahr zum Ausdruck. Sie beklagen eine amateurhafte Führung des Verbandes bei der Vorbereitung auf große Wettbewerbe. Henter, der in Wien gleich zwei angesagte Gespräche mit den Athleten nicht wahrnahm, sprach von einem Vertrauensbruch der Mannschaft, weil diese den Weg in die Öffentlichkeit gesucht habe. Er wolle regulieren, nicht reglementieren, ließ der Präsident verlauten, doch von den Schwimmerinnen und Schwimmern nimmt ihm das kaum noch jemand ab. Zumindest jene, die es sich leisten können, wie Franziska van Almsick oder 800-m-Europameisterin Julia Jung, hören längst nicht mehr auf den Verband, sondern auf ihre Manager. Matti
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